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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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sein.«
    »Sie sind tatsächlich ebenso liebreizend wie die Blumen, die Sie an diesem schönen Tag hierher bringen, Jude France!«
    Eilig blickte sie auf und sah in die leuchtend blauen Augen des Mannes, dem sie bereits zuvor an diesem Ort begegnet war. Augen, dachte sie leicht unbehaglich, die sie so oft in ihren Träumen erblickte. »Und Sie bewegen sich wirklich vollkommen lautlos.«
    »An dieser Stelle sollte man sich leise bewegen.« Er hockte sich auf die andere Seite des frühlingsweichen Grases und der leuchtend bunten Blumen auf dem Grab der alten Maude.
    Das Wasser im Brunnen murmelte eine heidnische Weise.
    »Und wie gefällt es Ihnen im Faerie Hill Cottage?«
    »Sehr gut. Haben Sie Verwandte hier?«
    Der Blick aus seinen Augen wurde trübe, als er ihn über die Steine und die hohen Gräser wandern ließ. »Ich habe diejenigen,
an die ich mich erinnere und die sich auch an mich erinnern«, kam die rätselhafte Antwort. »Einst habe ich ein Mädchen geliebt und ihm alles geboten, was ich hatte. Doch ich vergaß mein Herz und versäumte die richtigen Worte.«
    Er hob den Kopf und sah sie fragend an. »Aber Worte sind für Frauen wichtig, nicht wahr?«
    »Das sind sie für jeden. Wenn sie nicht gesagt werden, lassen sie Leere zurück.« Tiefe, dunkle Löcher, dachte Jude, Löcher, in denen der Zweifel und die Traurigkeit gedieh. Ungesagte Worte taten nicht weniger weh als Schläge ins Gesicht.
    »Ah – aber wenn der Mann, mit dem Sie verheiratet waren, diese Worte ausgesprochen hätte, wären Sie heute nicht hier.« Auf ihr schockiertes Blinzeln grinste er sie fröhlich an. »Er hätte sie nicht ehrlich gemeint, also wären sie nichts weiter gewesen als eigennützige Lügen. Sie wissen, er war nicht der Richtige für Sie.«
    Furcht wallte in ihr auf. Nein, nicht Furcht, erkannte sie, sondern eine unerklärliche Erregung. »Woher wissen Sie von William?«
    »Ich weiß alles Mögliche.« Wieder blickte er sie lächelnd an. »Weshalb geben Sie sich die Schuld an etwas, woran Sie nichts hätten ändern können? Aber schließlich waren Frauen mir schon immer ein, wenn auch charmantes, Rätsel.«
    Sicher hatte ihre Großmutter der alten Maude und Maude dann diesem Mann vom Scheitern ihrer und Williams Ehe erzählt – auch wenn der Gedanke ihr missfiel, dass sich offenbar Fremde bei einer Tasse Tee über ihr Privatleben mit all seinen Peinlichkeiten ausließen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Vergangenheit von besonderem Interesse für Sie ist.«
    Falls die Kälte ihrer Stimme ihn berührte, so zeigte er es nicht. »Nun, ich war schon immer ein ziemlich selbstsüchtiges
Wesen, und auf lange Sicht gesehen mag das, was Sie so treiben, eine Bedeutung für mich haben. Aber falls ich Ihnen zu nahe getreten sein sollte, bitte ich Sie um Verzeihung. Wie ich bereits sagte, Frauen sind und bleiben mir ein Rätsel.«
    »Tja, wahrscheinlich hat das Ganze sowieso keine Bedeutung.«
    »Das stimmt nicht, solange es Sie noch derart berührt. Würden Sie mir vielleicht eine Frage beantworten?«
    »Kommt auf die Frage an …«
    »Mir erscheint sie völlig simpel. Es geht darum, eine Sache aus der Sicht einer Frau zu verstehen. Würden Sie mir sagen, Jude, ob Sie lieber ein paar Juwelen hätten, so wie diese …«
    Er öffnete eine seiner eleganten Hände und zeigte ihr ein Häuflein blitzender Diamanten und Saphire sowie schimmernder, cremefarbener Perlen.
    »Meine Güte, wie …«
    »Würden Sie sie von dem Mann annehmen, der weiß, dass er Ihr Herz in seinen Händen hält, oder hätten Sie lieber seine Ergebenheit in Worten?«
    Verwirrt hob sie den Kopf. Das Funkeln und Blitzen der Juwelen trübte noch immer ihre Sicht; doch sie bemerkte den dunklen, eindringlichen Blick, mit dem er sie bedachte, und sagte das Erste, was ihr durch den Kopf ging.
    »Was für Worte?«
    Er stieß einen langen, abgrundtiefen Seufzer aus, ließ seine zuvor stolz gestrafften Schultern müde sinken und sah sie traurig an. »Dann ist es also wahr. Dann sind diese Worte das Einzige, was zählt. Und das hier …« – wieder öffnete er seine Hand, sodass sich der Schimmer, das Feuer, die Glut der Steine über dem Grab der alten Maude ergoss – »ist nichts weiter als ein Zeichen meines Stolzes, durch den ich am Ende alles zerstöre.«

    Mit stockendem Atem und einem zunehmenden Schwindelgefühl beobachtete sie, wie die Juwelen zu Farbflecken dahinschmolzen, die sich wiederum in schlichte, kleine Blumen verwandelten.
    »Ich träume«,

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