Insel des Todes
Farbe wie das schmutzigblonde Haar, das an ihrem
Hinterkopf nachlässig zu einem zerzausten Knoten hochgesteckt war. Der
berechnende Blick ihrer Augen hätte zu einer streunenden Katze gepaßt.
»Hallo, Sonja«, sagte ich.
»Sie verschwenden Ihre Zeit«,
erklärte sie mit schwerem gutturalem Akzent. Ihr Zeigefinger richtete sich auf
den Mann hinter der Theke. »Ich gehöre zu dem da !«
»Hören Sie doch auf«, warf
Betty schneidend ein. »Danny hat nur der Höflichkeit Genüge getan .«
»Ach?« Ein wissendes Lächeln
breitete sich über Sonjas harte Züge. »Jetzt verstehe ich — Sie hatten ihn wohl
in Sydney schon im Bett ?« Sie verdrehte bewundernd die
Augen. »Was für ein starker Mann. Immer noch auf den Beinen, ohne die
geringsten Anzeichen von Erschöpfung!«
Zwei rote Flecken brannten auf
Bettys Wangen.
»Sie elendes — «, begann sie
mit erstickter Stimme.
»Hallo, alle miteinander!« Eine
träge Stimme hinter der Bar beendete den Austausch von Beschimpfungen, noch ehe
er richtig begonnen hatte. »Ich muß mich wohl selbst vorstellen — Ambrose
Norman .«
Ein rotviolettes Seidenhemd,
über der haarigen Brust geöffnet, spannte sich über seinem wohlgenährten
Oberkörper. Er gehörte zu den Menschen, die schon mit Übergewicht auf die Welt
kommen, und an ihm wirkte es nicht einmal unästhetisch. Auch das lange seidige
Haar, das an manchen Stellen flachsgelb, an anderen beinahe mausgrau
schimmerte, störte nicht.
Normans Gesicht war das eines
pausbäckigen Engels, der längst in Ungnade gefallen ist. Die vollen, rosigen
Wangen und das Doppelkinn hätten harmlos und bieder gewirkt, wäre nicht durch
das Netz roter Äderchen und die schwammige Aufgedunsenheit seiner Züge der Eindruck der Verlebtheit und Ausschweifung hervorgerufen
worden.
»Danny Boyd«, stellte ich mich
vor.
»Nehmen Sie einen Drink,
Danny«, forderte er mich mit seiner weichen, trägen Stimme auf.
»Ich nehme einen Wodka Martini,
Ambrose«, warf Betty ein. »Und Danny ebenfalls.«
»In Ordnung.« Er strahlte uns
vergnügt an. Dann warf er Sonja einen fragenden Blick zu. »Und für dich?«
»Bier«, erwiderte sie.
»Ist sie nicht durch und durch
widerwärtig ?« Wieder strahlte uns Ambrose an. »Fragen
Sie sie mal, wann sie zum letztenmal gebadet hat .«
»Ambrose!« Betty krauste
angeekelt die Nase. »Du bist obszön .«
»Am Freitag«, verkündete Sonja
ungerührt. »Es schadet der Haut, wenn man zu häufig badet .«
Der Schriftsteller lachte leise
und vergnügt, während er mit der Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit eines
professionellen Barmixers die Drinks bereitete. »Betty — «, er blickte die
junge Frau einen Moment an, »—ich muß doch beweisen, daß unsere arme Leila
unseren Freund Danny nicht angeschwindelt hat, oder? Es ist gar nicht so
einfach, dem Ruf eines unverbesserlichen Taugenichts gerecht zu werden .« Er schwieg einen Augenblick nachdenklich und hob dann die
Schultern. »Na, auf jeden Fall unterscheide ich mich darin von der breiten
Masse .«
Er stellte die Gläser der Reihe
nach auf die Theke und forderte uns mit einer großzügigen Handbewegung auf, uns
zu bedienen. Ich rutschte auf einen Hocker, und Betty ließ sich neben mir
nieder.
»Wo ist Felix ?«
Ambrose rührte mit einem
Glasstab behutsam die Flüssigkeit in seinem Mixbecher um.
»Er ist unterwegs mit unserem
Helden, dem mutigen Retter unserer Seelen, dem Herrn über unser Schicksal, dem
Mann, der — «
»Halt den Mund !« fuhr sie ihn an.
»Jack Romney, Gott segne ihn und
seine Robustheit«, vollendete Ambrose und musterte Betty mit einem Ausdruck
milder Überraschung. »Habe ich etwas Falsches gesagt ?«
»Ich kann dich unter normalen
Umständen schon nicht ausstehen«, erklärte Betty wild. »Aber wenn du mit diesem
albernen Gerede anfängst, platzt mir der Kragen .«
Ein spitzer Ellbogen bohrte
sich in meinen Magen, als Sonja sich über mich neigte und mit der geballten
Faust vor Bettys Gesicht herumfuchtelte.
»Lassen Sie ihn ja in Frieden«,
warnte sie böse. »Sonst kratz’ ich Ihnen die Augen aus, Sie Biest .«
In Bettys Augen funkelte
ungezügelter Haß, als sie vom Hocker glitt. Ihre rechte Hand streckte sich nach
der nächsten Flasche aus.
Allem Anschein nach ohne die
geringste Eile, schob Ambrose die Flasche aus ihrer Reichweite. Dann packte er
Sonja beim Handgelenk und riß sie herum, so daß sie über die Theke flog. Die
Martinigläser zersplitterten auf dem Boden. Hilflos stieß sie mit den Füßen
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