Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
Derby laufen zu lassen, und an den Wänden fehlte jeglicher Schmuck. Sie vermisste ihr Fitnessstudio zu Hause, wo jede Stunde mit einem Personal Trainer begann und mit einer Massage endete. Sie vermisste das Dampfbad und die Sauna, die Grotte mit dem lauwarmen Tauchbecken und dem beruhigenden Wasserfall, den Tisch mit der Verpflegung – von duftenden Kräutertees bis hin zu Schüsseln mit frischen Früchten.
Trotzdem – Sport war Sport, und nach ein paar wirklich frustrierenden Tagen tat es gut, die Arme zu schwingen und zu hüpfen. Sie war nur überrascht, eine ihrer Mieterinnen in der Reihe hinter sich zu sehen. Sicher, es war ein Ort der Chancengleichheit für alle. Aber diese Kapur – ihr Vorname war Tracy entfallen – war der letzte Mensch, den Tracy hier erwartet hätte. Natürlich hatte sie nie einen Gedanken daran verschwendet, wie Leute in anderen Ländern Sport zu machen pflegten. Vielleicht gab es in Indien oder Pakistan – oder woher auch immer die Kapurs stammten – an jeder Ecke Tanzkurse. Vielleicht war das Tanzen Teil ihrer Religion.
Mrs Kapur sah aus, als wäre sie jünger als Tracy. Sie hatte eine wohlgeformte Figur mit weiblichen Hüften statt der knabenhaften Form, die derzeit Mode war. Ihre Schönheit war nicht zu leugnen. Heute hatte sie ihr schwarzes Haar zu einem Zopf zusammengebunden, aber an einem Nachmittag hatte Tracy gesehen, wie sie es offen getragen hatte. Es reichte ihr bis zum Rücken. Noch nie hatte Tracy so dickes Haar gesehen. Es hatte diese natürliche Welle, wie sie durch die Luftfeuchtigkeit in Florida entstand. Die junge Frau war mit einer Hautfarbe auf die Welt gekommen, für die viele von Tracys Freundinnen Stunden unter der Höhensonne verbrachten. Sie hatte schwarze Augen, ohne eine Spur von Braun, groß und rund und mit dichten schwarzen Wimpern umrahmt. Die Augenbrauen waren perfekt geschwungen. Sie war ganz einfach wunderbar – und vermutlich musste sie sich dazu nicht einmal anstrengen.
Tracy gewöhnte sich allmählich daran, die Welt ungerecht zu finden.
Die Musik verklang, und ihre Mieterin eilte auf die Tür zu. Doch Tracy holte sie ein.
„Hi. Es tut mir leid, aber ich habe Ihren Vornamen vergessen.“
Die junge Frau wirkte eher schicksalsergeben als erfreut. „Janya.“
„John-ya.“ Tracy bemühte sich, sich diesen Namen zu merken. „Das ist hübsch.“
Janyas Lächeln gab einen Blick auf ihre weißen Zähne preis – fast perfekt, bis auf einen Eckzahn, der nicht ganz gerade stand. Tracy, deren Vater sich selbst als Kieferorthopäde der Stars anpries, erkannte ein Lächeln, das ohne menschliches Zutun genauso war, wie der Schöpfer es erschaffen hatte.
Ohne Umschweife kam Tracy auf den Punkt. „Ich war gestern bei Ihnen zu Hause. Heute Morgen auch. Um die Miete abzuholen.“
„Die war gestern fällig, richtig? Wir waren nicht da, aber mein Mann hat den Scheck bei Ihnen zu Hause eingeworfen.“
Tracy fragte sich, ob es ein weltweiter Brauch war, die Vermieterin auf ihren Kosten sitzen zu lassen. „Das glaube ich nicht. Der Scheck war nicht im meinem Briefkasten.“
„Rishi hat gesagt, dass er den Scheck nicht in den Briefkasten hat legen wollen, wo ihn jeder rausholen kann. Also hat er ihn unter Ihrer Tür durchgeschoben.“
Tracy war an diesem Morgen aus der Hintertür gegangen und hatte nicht daran gedacht, ihre Post woanders zu suchen als in ihrem Briefkasten an der Straße. Der Scheck lag vermutlich in ihrem Wohnzimmer, und sie hatte ihn übersehen.
„Oh, tja, das erklärt natürlich einiges.“ An Janyas Gesichtsausdruck konnte sie ablesen, dass die junge Frau noch mehr erwartete. „Danke – oder vielmehr: Richten Sie Ihrem Mann meinen Dank aus. Sie sind die einzigen Mieter, die ich nicht rügen muss.“
„Rügen?“
„Ermahnen. Bitten. Sie wissen schon … Die Einzigen, die ich nicht ausdrücklich daran erinnern muss.“
„Ich weiß, was Sie sagen wollten.“ Janya drehte sich um, aber Tracy, die sich schuldig fühlte, weil sie die Frau für etwas beschuldigt hatte, das sie nicht getan hatte, legte ihr die Hand auf den Arm.
„Wie hat Ihnen der Kurs gefallen?“
„Ich glaube, es ist schon lange her, dass ich so vieles so schnell gemacht habe.“
„Es war ziemlich anstrengend, oder?“
„Und jetzt muss ich mich beeilen, um zur Bushaltestelle zu kommen, denn sonst verpasse ich den nächsten Bus.“
Wieder wandte Janya sich ab, doch Tracy hielt sie zurück. „Sie nehmen den Bus? Wenn Sie nach Hause wollen, können
Weitere Kostenlose Bücher