Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
Alices Schwiegersohn kennengelernt zu haben.
Sie fuhr ruhig, vorsichtig. Doch sie fuhr nicht nach Hause. Sie fuhr zu Rishis Büro, um ihn zu überreden, mit ihr nach Hause zu kommen und gemeinsam mit ihr auf der kleinen Terrasse zu essen.
29. KAPITEL
W anda kannte sich in Tampa nicht aus, aber Ken wusste Bescheid. Es war eine aufstrebende weltoffene Stadt, doch wie in jeder anderen Stadt gab es auch hier kriminelle Gegenden. Als er ihr erklärte, wo sie Gloria Madsen finden konnte, warnte er sie gleichzeitig, dass das Viertel eher ein Gewerbegebiet war, aber dass die Polizei dort noch immer gegen den illegalen Handel mit Alkohol und gegen Prostitution kämpfte. Ein blühendes Geschäft für Erwachsenenunterhaltung zog Menschen an, denen Wanda nicht an einer dunklen Straßenecke begegnen wollte.
„Sei vorsichtig“, sagte er. „Wenn du warten willst, können wir an meinem nächsten freien Tag auch zusammen fahren.“ Doch statt mit einem schweigenden Ken an ihrer Seite einen Ausflug nach Tampa zu machen, fuhr Wanda am Freitagmorgen lieber allein los. Als Belohnung für einen Versuch, der mit ziemlicher Sicherheit vergeblich sein würde, wollte sie sich ein typisch kubanisches Essen in Ybor City gönnen.
Es war keine Überraschung gewesen, dass Gloria Ann Madsen, geboren 1928 in Cargo Beach, ein langes Vorstrafenregister hatte – die meisten Strafen hatte sie für Urkundenfälschung bekommen. Sie hatte einen Teil der Strafe verbüßt, doch als älteste Insassin des Gefängnisses war sie in eine Resozialisierungseinrichtung verbracht worden, sobald es rechtlich möglich gewesen war. Und genau dorthin war Wanda nun unterwegs.
Nach einer langen Fahrt und einer gigantischen Portion Paella parkte Wanda vor einem heruntergekommenen Haus in einer Seitenstraße, die sie eine frustrierende Stunde lang gesucht hatte. Das Haus war mit Gips verputzt und hatte ein rotes Schindeldach. Doch alles, was der schlichten spanischen Architektur etwas Schönheit verliehen hätte, war entfernt worden. Die Hausnummer hatte jemand neben der Eingangstür an die Wand gepinselt. Resozialisierungseinrichtungen waren selten schön; Resozialisierungseinrichtungen für ehemalige Gefangene waren vermutlich die schäbigsten.
Sie blickte die Straße hinauf und hinunter, ehe sie sich vom Auto entfernte. Die Sonne bereitete ihr Kopfschmerzen. Die schweren Jungs, die normalerweise in Hauseingängen lauerten, versteckten sich heute drinnen, wo das Bier eiskalt war.
Der Weg zum Haus war gefegt, doch an einigen Stellen störten Sand und Gras zwischen den Steinen das Bild. Offensichtlich stand die Verschönerung des Gartens nicht auf dem Arbeitsplan der Bewohner. Wanda klingelte und wartete. Eine junge dunkelhäutige Frau mit kurzen Zöpfen und einem Nasenring machte die Tür auf und betrachtete sie argwöhnisch. Wanda erklärte, wer sie war und wen sie sehen wollte.
Die Frau winkte Wanda herein, ohne sie zu fragen, was genau sie wollte. „Sie bekommt nicht oft Besuch“, sagte sie, als sie Wanda in den hinteren Teil des Hauses führte. „Selbst wenn Sie ein Geldeintreiber wären, würde sie sich freuen, Sie zu sehen.“
Im Wohnzimmer nahm Wanda auf dem zerschlissenen Sofa Platz. Das Haus roch nach gebratenen Zwiebeln, Schmerzsalbe und Urin. Dem Rollator und dem Rollstuhl in der Ecke des Zimmers nach zu urteilen, kümmerte man sich in dieser besonderen Resozialisierungseinrichtung um die Häftlinge, die nach einer sehr langen Haftzeit zurück in die Gesellschaft finden wollten. Sicherlich waren einige von ihnen wie Gloria Berufsverbrecher, die sich auch vom Alter nicht davon abhalten ließen, ihrem Gewerbe nachzugehen.
Ein sterbender Gummibaum lehnte an der gegenüberliegenden Wand. Irgendwann hatte jemand ihn mit einer bunten Weihnachtslichterkette behängt. Jetzt baumelte der Stecker zusammen mit ein paar traurigen Fäden Lametta an einem blattlosen Zweig. Alt zu werden war schon schlimm genug, aber dann auch noch in dieser Umgebung? Mehr als deprimierend.
Die Frau, die endlich ins Wohnzimmer geschlurft kam, sah keinen Tag jünger aus als die mindestens achtzig Jahre, die sie alt war. Sie war klein und gebrechlich. Ihr dünnes Haar war in einem blassen Orangerot gefärbt. Der Ansatz war im Gegensatz dazu schlohweiß. Mit zitternder Hand hatte sie ihre Augenbrauen nachgezogen und einen korallenroten Lippenstift aufgetragen. Doch von der Frau, für die ein Mann namens Clyde Franklin seine Familie im Stich gelassen und seinen Namen geändert
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