Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
man sie öffnen? Oder waren es altmodische Jalousienfenster, die sie selbst auch in einigen Zimmern hatte und die lediglich aus verstellbaren Lamellen bestanden?
„Alice, kannst du die Fenster öffnen? Sind sie groß genug, damit ich durchsteigen kann?“
Keine Antwort.
„Alice, bist du noch wach? Kann ich durch eines deiner Fenster steigen? Dann könnte ich die Kommode von der Tür rücken, und wir könnten dich hier rausbringen.“
Keine Antwort.
„Alice, mach die Fenster auf, wenn du kannst. Bitte. Ich bin gleich da.“
Sie rannte zur Eingangstür, die sie offen lassen wollte, damit sie notfalls noch einmal ins Haus zurückkehren konnte. Als sie am Telefon in der Küche vorbeikam, nahm sie den Hörer ab, um Janya anzurufen, doch die Leitung war tot. Sie legte auf und probierte es noch mal, aber entweder hatte der Sturm für einen Ausfall gesorgt, oder Lee hatte die Leitung gekappt.
Sie lief schneller, rannte aus der Eingangstür und um das Haus nach hinten. Sie warf einen kurzen Blick die Straße hinauf. Keine Autoscheinwerfer. Ein gutes Zeichen. Erleichtert sah sie, dass Alices Zimmer Fenster hatte, die man öffnen konnte. Doch sie waren geschlossen und vermutlich auch gegen unerwünschte Eindringlinge gesichert.
Oder gegen alte Frauen, die fliehen und ihr Leben retten wollten.
Sie suchte sich einen Weg durch die verwilderten Büsche und schlug mit der flachen Hand gegen das Fenster. „Alice, mach auf!“ Als wieder keine Reaktion kam, presste sie ihr Gesicht gegen die Scheibe und blickte hinein. Entsetzt glaubte sie, Alice ausgestreckt zwischen den Betten liegen zu sehen.
Kurz entschlossen schnappte sie sich einen Stein vom Boden und schlug damit die Scheibe ein. Das Glas zersplitterte. Hastig entfernte sie die Überreste, die noch im Rahmen waren, und warf sie in die Büsche, weg von sich. Nachdem sie die Einfassung so gesichert hatte, zerrte sie am Fliegengitter. Es löste sich, und sie warf es zu den Scherben auf den Boden.
Keuchend stemmte sie sich hoch. Eine Hand, die sie sich mit einer Scherbe verletzt hatte, tat höllisch weh. Doch es gelang ihr trotzdem, sich hochzuschwingen und ins Zimmer zu klettern. Sie sandte ein Stoßgebet gen Himmel – dankbar, dass sie den Sommer damit zugebracht hatte, im Freizeitzentrum Kindern hinterherzurennen und schwere Ausrüstung zu tragen, und nun so durchtrainiert war.
Alice lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Fußboden. Tracy packte sie an der Schulter und schüttelte sie. „Alice, wach auf! Du musst aufwachen!“
Als Antwort erhielt sie ein Stöhnen. Tracy schlang ihre Arme um Alices Oberkörper und versuchte, sie in eine sitzende Position zu bringen. Doch es war, als wollte man eine Stoffpuppe bewegen – eine einhundert Pfund schwere Stoffpuppe. Sie versuchte es noch einmal. Mit aller Kraft gelang es ihr, Alice ein wenig aufzurichten, sodass sie an Tracys Oberkörper gelehnt war.
Tracy schüttelte sie unsanft. „Alice, wir müssen hier raus!“
Alice öffnete die Augen, aber sie sagte kein Wort.
Während Tracy noch darüber nachdachte, was zu tun war, hörte sie das Geräusch eines Wagens, der auf die Auffahrt fuhr.
„Du kommst jetzt sofort hierher“, sagte Wanda in ihr Handy. „Und mach die Sirene an, Kenny. Ich meine es ernst.“
Damit legte sie auf und gab Janya ein Zeichen. „Es dauert noch ein wenig, bis er hier ist. Schnapp dir die Blumen.“ Sie wies auf ein buntes Seidenblumengesteck in einem Körbchen auf ihrem Couchtisch. Das Gebinde war schon seit Monaten für den Müll bestimmt. Das Einzige, was sie davon abgehalten hatte, es wegzuwerfen, war ihre Trägheit. „Wir werden mal unsere Nachbarn besuchen und schauen, ob sie zu Hause sind.“
Janya nahm sich das Körbchen. „Tracy ist schon seit mehr als zehn Minuten bei Alice.“
„Ich habe ihr doch gesagt, dass sie nicht gehen soll, solange ich nicht da bin!“
„Sie hat mich gebeten, dir Bescheid zu sagen. Sie wollte nicht länger warten.“
„Tja, das Gute ist, dass du meine Handynummer hattest.“ Weniger schön war allerdings, dass Janya nicht fünf Minuten später angerufen hatte – denn dann hätte Wanda noch bezahlen und den Einkauf in ihren Wagen bringen können. Jetzt würde sie noch einmal fahren und von vorne einkaufen müssen. Sie hoffte nur, dass dann jemand anders an der Kasse saß.
Draußen blickte Janya in den Himmel hinauf. „Es fängt an zu regnen.“
Das war Wanda auch schon aufgefallen. Das Gewitter machte ihr jedoch mehr Sorgen als die paar
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