Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
einzuholen. Die Fliesen wurden am Nachmittag geliefert. Weil Tracy ihren Nachbarn nicht hundertprozentig vertraute, bat sie die beiden Jungs, die die Lieferung brachten, die Fliesen außer Sicht der anderen vor der Hintertür zu stapeln. Die Jungs, die aussahen, als hätten sie vor nicht allzu langer Zeit noch mit Lego gespielt, errichteten sorgfältig sechs Stapel mit gerade genug Platz dazwischen, um die Tür zu öffnen. Als sie zwischen den Türmen entlangging, fühlte Tracy sich bedroht. Sie musste dafür sorgen, dass die Fliesen möglichst schnell auf ihrem Fußboden landeten.
Der Kostenvoranschlag des ersten Fliesenlegers, den er ihr auf der Stelle unterbreitete, war so hoch, dass sie ihn, ohne zu überlegen, verwarf. Der Verkäufer in dem Geschäft für Bodenbeläge hatte ihn ihr empfohlen – er sei der Beste, aber nicht ganz günstig. Tracy entschloss sich, mit dem Zweitbesten vorliebzunehmen oder sogar mit dem Drittbesten, sobald die beiden ihre offiziellen Kostenvoranschläge schickten.
Zwischen all den Unterbrechungen gelang es ihr trotzdem, die erste Farbschicht auf die Wohnzimmerwände zu bringen. Sie wollte fertig gestrichen haben, ehe die Fliesen verlegt wurden, damit sie sich keine Sorgen mehr über Farbkleckser auf ihrem neuen Fußboden machen musste. Sie war zufrieden mit ihrer Farbwahl, und die sofort sichtbare Verbesserung verlieh ihr neue Energie.
Am späten Nachmittag war sie müde, aber stolz. Sie räumte ihr Chaos auf und nahm dann eine wohlverdiente Dusche, um sich für das Dinner mit Lee fertig zu machen. Während sie sich in ihrem winzigen Schlafzimmer abtrocknete, dachte sie darüber nach, was sie anziehen wollte.
Kleider vermittelten eine Botschaft, aber sie war es nicht mehr gewohnt, darüber nachdenken zu müssen, was genau sie ausdrücken wollte. Bei C J war die Botschaft eindeutig gewesen: Er hatte den Neid anderer Männer wecken wollen. Tracys Rolle dabei war gewesen, provokativ und unerreichbar zu sein – eine Frau, die zu besitzen für andere Männer ein Wunschtraum war, den sie hegten, von dem sie aber auch wussten, dass er niemals Wirklichkeit werden würde.
Soweit Tracy wusste, war C J mit der Wahl seiner dritten Ehefrau glücklich gewesen. Die ersten beiden, die er kennengelernt hatte, als er gerade sein Imperium aufbaute, hatten seine hohen Ansprüche nicht erfüllen können. Er hatte ihr Schmuck geschenkt, Ferienhäuser und Überraschungstrips zu exklusiven Orten. Das war eine Art Bezahlung gewesen, damit sie die unausgesprochenen Versprechungen erfüllte, die sie ihm gemacht hatte. Sie war eine Ehefrau gewesen, mit der er sich voller Stolz hatte zeigen können.
Seit der Scheidung, der Demütigung und dem Exil hatte sie aufgehört, sich wie eine Mätresse zu kleiden. Einige ihrer Kleider hatte sie eingelagert, einen anderen Teil in Secondhandshops in Kommission gegeben und ein paar Sachen Wohltätigkeitsorganisationen überlassen. Mit einigen Ausnahmen. Übrig geblieben waren Kleidungsstücke, die sie nicht gekauft hatte, um ihrem Exmann zu gefallen, sondern Dinge, die sie einfach gern trug. Als sie nun in den Kleiderschrank blickte, fragte sie sich, welche Botschaft Lee wohl erwartete.
Kümmerte es sie?
In letzter Zeit wurde sie von solchen Gedanken geplagt. Ihre Erziehung schien bestimmungsgemäß gewesen zu sein. Auf dem Schoß ihrer Mutter hatte sie schon gelernt, dass einem Mann zu gefallen der Schlüssel zu einer gesicherten Zukunft war. Mit „gesicherter Zukunft“ hatte ihre Mom ein Eigenkapital in Höhe eines achtstelligen Betrages gemeint. Mindestens. Sie hatte sich vollkommen wohl damit gefühlt, ihr Leben darauf zu gründen. Tiefer zu graben hatte sie nicht gereizt. Warum auch, wenn ihre eigenen Pläne für die Zukunft sich so gut zu entwickeln schienen?
Jetzt verfluchte sie zum ersten Mal stumm C J Craimer, der geglaubt hatte, dass es Gesetze nur gab, um den kleinen Mann unter Kontrolle zu halten. Wenn C J nur ein bisschen aufrichtiger gewesen wäre, hätte Tracy nun nicht über all diese schwierigen Fragen nachdenken müssen.
Als sie fertig war, fühlte sie sich vollkommen erschöpft. Nicht so sehr von der harten körperlichen Arbeit des Tages, sondern von den Gedanken darüber, wer sie war und wer sie sein wollte. Und im Augenblick ging es nur um eine Verabredung. Die Möglichkeit, dass der Rest ihres Lebens genauso kompliziert werden könnte, machte ihr entsetzliche Angst.
Als sie Lee den Weg entlangkommen hörte, wartete sie sein Klopfen gar
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