Insel meiner Traeume
Heimat werden sie berichten, der Prinzregent sei überaus beliebt, die Marine würde freudig seinem Geburtstag huldigen und nur zu gern ein Dutzend Schiffe für seine Extravaganzen bereitstellen. Vielleicht werden die Vorgesetzten der Spione die Information etwas verharmlosen, bevor sie Bonaparte erreicht, weil sie ihn nicht unnötig erzürnen wollen. Diese Neuigkeit würde er so schwer verdauen wie zähes Leder.«
»Also hat man das Spektakel nur inszeniert, um den Feind zu provozieren?«
»Und um Prinnys Eitelkeit zu befriedigen, die meistens unangenehm und manchmal nützlich ist.«
Eine Zeit lang schwieg Joanna und hing ihren eigenen Gedanken nach. »Ich weiß deine Bereitschaft, mir solche Dinge zu erklären, wirklich zu schätzen. Da gibt es nämlich Männer - dumme Männer -, die sich einbilden, ein weibliches Gehirn würde so was nicht begreifen.«
»Zum Teufel mit den elenden Narren.«
Sie lachte wieder, dann zuckte sie erschrocken zusammen, als die Kanonen aller Schiffe gleichzeitig krachten. Nun war das Scheingefecht in vollem Gang und führte schließlich zu dem Ende, das von vornherein festgestanden hatte - zum britischen Sieg.
Während die Schiffe unter der Trikolore mit Schimpf und Schande davonsegelten, jubelte die Menschenmenge am Kai, und der Prinzregent führte seine Gäste in den Pavillon, wo ein opulenter Lunch angerichtet war. Später fuhren sie in mehreren Kutschen auf den Race Hill und beobachteten eine Militärparade. Obwohl Joanna in den dichten, von
Pferdehufen und Stiefeln aufgewirbelten Staubwolken dauernd husten musste, genoss sie die martialische Musik und amüsierte sich köstlich. Doch sie war dankbar für die kurze Atempause, die ihr am späten Nachmittag vergönnt wurde. Erleichtert fuhr sie nach Hause.
»Larifari«, nörgelte Mrs. Mulridge erneut und strafte Bolkum, der im Castle Inn Freibier getrunken hatte und äußerst gut gelaunt war, mit Nichtachtung. Den schwarzen Rock gerafft, scheuchte sie Joanna zur Treppe. »Da oben wartet ein schönes, kühles Bad, Mylady.«
»Dem Himmel sei Dank«, murmelte Joanna und lächelte Bolkum an, der ihr zuzwinkerte.
»Heute Abend wird im Castle ein Ochse gebraten«, verkündete er. »Da sollten Sie mit Ihrem Galan hinkommen.«
»Mit meinem Galan? Meinen Sie den Marquess of Boswick?«
»Genau. Netter Kerl. Erinnert mich an irgendwen... Ach, das ist so lange her.«
»Wir dinieren mit dem Prinzregenten. Aber ich werde ans Castle denken.«
»Gut. Übrigens - freut mich, dass Sie jetzt öfter ausgehen, Mylady.«
»War ich denn so ein schreckliches Heimchen am Herd?«, fragte sie und blieb auf den Stufen stehen.
»Wer dürfte es Ihnen verübeln?« Bolkum zuckte die Achseln. »Hawkforte ist nun mal was ganz Besonderes.«
»Oh ja, ich vermisse mein Heim...« Plötzlich merkte sie, wie weit sie sich schon davon entfernt hatte. Diese Erkenntnis schmerzte und beglückte sie zugleich.
Gegen Abend kam Royce ins Haus, um seine Schwester zum Pavillon zu begleiten. Alex erwartete die beiden am
Eingang und ergriff Joannas Hand. »Lasst euch warnen! Wie ich höre, läuft der Küchenchef Amok.«
Stöhnend erinnerte sich Joanna an den bizarren Überfluss an Speisen bei jenem Fest im Carlton House. »Ich hoffe, der Prinzregent wird uns nicht bis zum Morgengrauen an seiner Tafel festhalten.«
»Nein, dafür steht er viel zu früh auf. Kommt, er hat ein paar enge Freude eingeladen, vor dem Dinner seine Geburtstagsgeschenke zu bewundern.«
Prinny benahm sich wie ein Kind, das den Weihnachtsmorgen in vollen Zügen genoss. Zumindest kam es Joanna so vor, als sie den Privatsalon betrat. Hier wurden die Geschenke aller Gäste zur Schau gestellt, die Seiner Königlichen Hoheit am nächsten standen. Auch Royce war erkoren worden, zum Dank für die Kopie einer kostbaren Handschrift aus der Hawkforte-Bibliothek. Lauthals pries der Prinzregent die exquisite Kalligraphie, das edle, mit Juwelen besetzte Lederetui, in dem die Abschrift steckte. »Großartig, einfach großartig! Und das Original stammt aus...?«
»Aus der Zeit Alfreds des Großen«, erwiderte Royce. »Nach unserer Ansicht hat es einer der Mönche angefertigt, die im königlichen Skriptorium von Winchester ausgebildet wurden. Der erste Lord of Hawkforte bestellte das Buch für seine Frau, eine leidenschaftliche Naturliebhaberin. Wie Sie wissen, Sire, widmete sich Alfred der Literatur ebenso hingebungsvoll wie Sie.«
Mit einem wohlwollenden Lächeln quittierte Prinny die nette Schmeichelei.
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