Inselglück
Ebene‹, witzelte sie immer. Dadurch klang es okay, klang es wunderschön. Aber für mich war es nicht okay und ganz bestimmt nicht wunderschön.«
»Nein«, entgegnete Connie. »Kann ich mir vorstellen.«
»Das hat am Ende von Nicoles Leben zu einigen ziemlich destruktiven Gesprächen geführt. Sie war so besorgt um die Jungs. Sie waren das Einzige, was sie interessierte. ›Was ist mit mir?‹, fragte ich sie, ›deinem Ehemann seit zwanzig Jahren?‹ Und sie sagte: ›Du wirst wieder heiraten. Du wirst eine andere Frau finden. Aber die Jungs werden nie eine andere Mutter haben.‹« Dan schaute Connie an. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie mich das verletzt hat. Ich wurde als unwesentlich abgetan. Die Jungen waren ihr Fleisch und Blut; das war ich nicht. Ich wurde als Außenstehender behandelt, und dann wurde mir klar, dass ich immer ein Außenstehender gewesen war.« Dan hob noch einen Stein auf und schleuderte ihn; er hüpfte wie eine Bohne in einer heißen Pfanne. »Sterbende können so verdammt selbstgerecht sein. Irgendwann gelangte Nicole an einen Punkt, an dem sie das Gefühl hatte, sie könnte sagen, was sie wolle, egal, wen sie damit verletzte, weil sie … «
»Sterben würde«, ergänzte Connie.
»Sterben würde«, bestätigte Dan.
Und Nicole starb, sagte Dan. (Connie fand seinen Tonfall interessant. Es klang, als könne er es immer noch nicht glauben, und genauso ging es ihr mit Wolfs Tod.) Donovan und Charlie seien einigermaßen damit zurechtgekommen, Joe nicht. Er rauchte weiterhin Dope, im Haus, vor seinen Brüdern, und Charlie war erst zwölf. Joe hatte einen riesigen Vorrat von Nicole »geerbt«, und Dan suchte überall danach, fand ihn jedoch nicht. Es kam zu Auseinandersetzungen. Dan war wütend wegen des Marihuanas; Joe war wütend, weil Dan sich mit Nicole wegen des Marihuanas gestritten hatte.
»Sie lag im Sterben, und du hast sie angeschrien«, sagte Joe.
»Was sie getan hat, war unverantwortlich«, entgegnete Dan. »Dass sie dich hat rauchen lassen.«
»Das Dope war gegen die Schmerzen«, konterte Joe.
»Gegen ihre Schmerzen«, sagte Dan. »Nicht gegen deine.«
Joe rauchte weiter – obwohl, als kleine Konzession, nicht mehr in Gegenwart seiner Brüder. Er war vom Boston College akzeptiert worden, doch nach Nicoles Tod beschloss er, sein Studium um ein Jahr zu verschieben. Er redete davon, nach Kalifornien zu gehen und sich an einer Kampagne zur Legalisierung von Marihuana zu beteiligen. Dan erklärte ihm, dass auf keinen Fall Geld der Familie Flynn dafür ausgegeben würde, eine Drogenodyssee nach Kalifornien zu finanzieren. Wenn Joe dorthin wolle, sei das seine Entscheidung, aber er müsse selbst dafür aufkommen.
Joes Antwort darauf war, Dans Pick-up zu stehlen, während Dan mit seinem Boot draußen war. Er schaffte es auf die Fähre und durch den halben Staat New York, bevor Dan merkte, was passiert war. Er hätte Joe aufspüren und verhaften lassen können, doch er wusste, dass Joe Marihuana bei sich hatte, und trotz seiner Wut und Verletztheit wollte er nicht, dass sein Sohn ins Gefängnis kam.
»Und das war’s«, sagte Dan. »Er ist weg, in Kalifornien, er hat mich das eine Mal kontaktiert, per E-Mail, wegen Geld. Ich dachte, wenn er den Mumm hat anzurufen und mich um Geld zu bitten, gut, aber auf eine beschissene E-Mail reagiere ich nicht. Und dann habe ich es natürlich doch getan.«
»Spricht er mit seinen Brüdern?«, fragte Connie.
»Kann sein; sie erzählen mir nichts. In unserem Haus wird sein Name nicht genannt.«
»Aber du würdest ihn wieder aufnehmen?«
»Auf jeden Fall«, sagte Dan.
Sie hatten unterwegs umgedreht und waren jetzt auf dem Rückweg. Connie hatte Angst, sich nach der Uhrzeit zu erkundigen. Sie wollte nicht, dass dieser Spaziergang endete.
»Hat es dir geholfen, dass du mir davon erzählt hast?«, fragte sie.
»Weißt du was – das hat es tatsächlich. Du bleibst vielleicht der einzige Mensch, dem ich die ganze Geschichte von vorn bis hinten erzähle. Das ist das Problem, wenn man an einem Ort wie Nantucket aufwächst und immer noch lebt. Jeder glaubt, er wüsste, was los ist, weil er ja eigentlich selbst dabei war. Die meisten Leute denken, Joe ist ein Kiffer, der meinen Pick-up geklaut und sich nach Kalifornien abgesetzt hat, um da ein noch freieres Leben zu führen, als es seine Mutter schon geführt hat. Aber das ärgert mich, weil es nicht nur Joes Schuld war. Ich habe auch Fehler gemacht und Nicole ebenso, obwohl keiner Nicole
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