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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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dummdreist,
und er richtet nur Unheil an«, erwiderte sie angeekelt.
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich morgen
mit ihm zusammen den Spuren des Gärtners auf Ihrem Grundstück nachgehe?«, fragte
Jung sie trotzdem.
    »Was wollen Sie denn da nach so langer Zeit
entdecken? Es ist knapp ein Jahr her, oder? Na ja, das ist Ihre Sache. Sie müssen
wissen, was Sie tun.«
    »Der Mörder ist immer der Gärtner, den Spruch
kennen Sie doch?«, lachte Jung sie an.
    »In Ordnung. Nein, nein, es macht mir nichts
aus. Wenn wir nicht im Haus sind, können Sie das Grundstück auch über die Gartenpforte
auf der Wattseite betreten. Lassen Sie sich durch den Hinweis nicht abschrecken.
Wir haben keinen Hund.«
    Sie wünschten sich eine gute Nacht und verabschiedeten
sich voneinander. Jung war einerseits froh, den Abend so jäh beendet zu sehen. Auf
der anderen Seite bedauerte er, die Bachsuiten nicht bis zum Schluss in so angenehmer
Gesellschaft genießen zu können. Er stieg zu Jürgen Mendel ins Auto. Sie machten
sich auf den Weg nach Westerland. Jung war müde. In seinem Kopf ballten sich die
Gedanken darüber, was er heute zu hören bekommen hatte. Er konnte keine Ordnung
reinbringen. Er war einfach fertig und überließ sich gerne dem Gerumpel des Fahrzeugs
und den Fahrkünsten seines Gastgebers.
    In der Strandallee ließ Jürgen Mendel ihn aussteigen,
gab ihm die Schlüssel und ein paar nützliche Anweisungen zum Gebrauch der Dusche
und fuhr nach kurzer Verabschiedung weiter.
    Beim Zähneputzen fiel Jung ein, dass er sein
Ausbleiben lieber seiner Frau mitteilen sollte. Er sprach kurz mit ihr am Telefon.
Sie wünschten sich eine gute Nacht und beendeten das Gespräch. Als er sein Handy
ablegte, schoss ihm durch den Kopf, dass er seine Verabredung mit Helga Bongard
völlig vergessen hatte. Er schalt sich einen Idioten, aber er konnte sich nicht
mehr aufraffen, jetzt noch Schadensbegrenzung zu betreiben. Er fiel ins Bett.
    Nachts weckte Jung das plötzlich einsetzende
Trommeln großer Regentropfen auf der Fensterscheibe. Es hörte ebenso abrupt auf,
wie es begonnen hatte. Dazwischen schien ihm, als drehte jemand an einem imaginären
Verstellknopf, der dem Getrommel der schweren Tropfen einen eigenen Rhythmus gab.
Der Gedanke an eine Kraft, die völlig losgelöst von allem Irdischen tat, was ihr
gefiel und was kein Mensch zu tun befähigt war, erfreute und erheiterte ihn. Aber
schon bald vernahm er hinter dem Wohlklang seiner Gedanken und Gefühle eine bedrohlich
fremde Note. Er mochte ihr nicht weiter nachspüren, erhob sich und ging auf die
Toilette. Als er sich wieder hingelegt hatte, schlief er rasch ein. Er erwachte
spät für seine Verhältnisse, nach traumlosem, langem Schlaf.
    Richtig wach wurde er erst vom Klingeln seines
Handys. Er nahm es auf und meldete sich, ohne den Anrufer auf dem Display zu beachten.
    »Jung.«
    »Holtgreve hier. Kiel hat sich heute bei mir
gemeldet.« Bedrohliche Stille breitete sich aus.
    »Guten Morgen, Herr Holtgreve. Was wollten
sie?«
    »Ergebnisse.« Holtgreve klang gehetzt.
    »Neun Monate lang gab es keine Ergebnisse,
und jetzt wollen sie in ein paar Tagen …«
    »Sie haben Gründe.«
    »Welche?«
    »Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über Kiel.
Dafür werden Sie nicht bezahlt. Wo stecken Sie?«, kam es brüsk durch die Leitung.
    »Ich führe gerade Befragungen auf Sylt durch
und …«
    »Haben Sie dort übernachtet?« Holtgreves Stimme
klang wie die des Nazirichters Roland Freisler.
    »Ich bin in einem Apartment der Eheleute …«
    »Ich habe keinen Dienstreiseantrag von Ihnen
genehmigt.«
    »Auf einen Dienstwagen wollte ich nicht warten
und bin …«
    »Kommen Sie zu mir. Dann haben Sie sofort einen
Wagen.«
    »Wegen jeder Kleinigkeit will ich nicht …«
    »Ich will Sie sehen. Melden Sie sich sofort,
wenn Sie im Haus sind.«
    Es klickte in der Leitung, und das Gespräch
war zu Ende. Jung fragte sich, welche Unarten und Unhöflichkeiten sich Vorgesetzte
eigentlich leisten durften. Wie redete wohl der Polizeipräsident mit Holtgreve?
Hatte dessen Benehmen auf den Leitenden abgefärbt? Beschlich sie nicht wenigstens
ab und zu das Gefühl, wie es ihre Untergebenen oft befiel, dass sie unproduktiv
und überflüssig waren, ja, dass sie eine Last darstellten, die zu tragen nur sinnlos
war? Ehe er weiter darüber nachgrübelte, läutete sein Handy erneut. Diesmal zeigte
das Display eine unbekannte Nummer. Er nahm das Gespräch an.
    »Jung.«
    »Hier Bongard. Ich habe Sie schmerzlich

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