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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Hennessey die Waffe auf ihre Brust. Sie sah die weite dunkle Mündung und erkannte, daß sie dem Tod ins Auge sah. »Laura Webster!« sagte Hennessey. »Laufen Sie nicht, zwingen Sie mich nicht, zu schießen!«
    Laura erstarrte.
    »Polizeioffizier«, sagte Hennessey mit einem nervösen Blick nach backbord. »Wiener Konvention, Einsatzgruppe für Sonderaufgaben. Gehorchen Sie meinen Befehlen, und nichts wird Ihnen geschehen.«
    »Das ist eine Lüge!« rief Laura. »So etwas gibt es nicht!«
    Er sah sie nicht an. Er blickte immer wieder auf die See hinaus. Sie folgte seinem Blick.
    Etwas kam auf das Schiff zu. Es jagte mit erstaunlicher, magischer Geschwindigkeit über die Wellen hin. Ein langer weißer Stock, oder Pfahl, mit kurzen, eckigen Flügeln. Dahinter eine dünne gerade Spur aus Gas oder kondensierendem Wasserdampf.
    Das Ding raste auf die Brücke am Heck zu, eine Nadel an einem Faden von Dampf. Hinein.
    Greller Feuerschein erblühte, höher als eine Häuserfront; eine Wand von Hitze und Geräusch raste über das Deck und warf sie zu Boden. Sie prallte schmerzhaft auf und lag geblendet von der Explosion. Der Schiffsbug unter ihr bockte wie ein riesenhaftes stählernes Tier.
    Berstendes Inferno. Fetzen aus Plastik und Stahlblech wirbelten durch die Luft und schlugen aufs Deck. Die Schiffsaufbauten am Heck hatten sich im Nu in eine ausgedehnte, häßliche Flammenhölle verwandelt. Es war, als hätte jemand einen Vulkan eingebaut - Thermithitze und weißglühende, verbogene Stahlträger und Lavaklumpen aus Keramik und geschmolzenem Kunststoff.
    Das Schiff bekam Schlagseite.
    Hennessey sprang taumelnd auf und lief zur Reling. Einen Augenblick dachte sie, er werde über Bord springen. Dann kam er mit einem Rettungsring zurück - einem großen, rotweiß gestrichenen Ding mit einem Halteseil außen herum und einer Aufschrift in Parsi. Er kam zurück zu ihr. Von seiner Waffe war jetzt nichts zu sehen; er mußte sie wieder zusammengeklappt und eingesteckt haben.
    »Nehmen Sie den!« schrie er ihr ins Gesicht.
    Laura griff mechanisch zu. »Das Rettungsboot!« rief sie zurück.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein! Taugt nichts! Minenfalle!«
    »Sie elender Lump!«
    Er ignorierte sie. »Wenn das Schiff untergeht, müssen Sie angestrengt schwimmen, verstehen Sie? Weg vom Strudel!«
    »Nein!« Sie sprang auf, entging seinem Versuch, sie zu Boden zu werfen. Das Schiffsheck sprudelte jetzt Rauch, gewaltige, schwarze Massen. Menschen krabbelten und stolperten über das schrägliegende Deck.
    Sie wandte sich zurück zu Hennessey. Er lag gekrümmt am Boden, die Hände im Nacken verschränkt, die angezogenen Beine an den Knöcheln gekreuzt. Sie gaffte ihn an, blickte dann wieder zur See hinaus.
    Eine weitere Rakete. Sie flog dicht über den Wellen, der Glutstrahl ihres Triebwerks erhellte das unruhige Wasser wie ein intermittierendes Blitzlicht. Sie schlug ein.
    Eine katastrophale Explosion unter Deck. Ladeluken flogen auf, die Deckel rissen aus den Scharnieren und segelten taumelnd himmelwärts. Feurige Fontänen schossen aus dem Schiffsrumpf, der wie ein waidwund geschossener Elefant torkelte.
    Das Deck neigte sich, langsam, unerbittlich, und die Schwerkraft zog an ihnen wie das Ende der Welt. Dampf mit dem Gestank erhitzten Seewassers stieg aus dem aufgerissenen Rumpf. Laura fiel auf die Knie und glitt übers Deck.
    Hennessey war zur Bugreling gekrochen, hatte einen Ellbogen darüber gehakt und sprach in etwas - ein militärisches Funksprechgerät. Er hielt inne und zog die lange Antenne heraus und fing wieder an zu rufen. Freudig. Er sah ihren Blick und winkte und gestikulierte ihr. Spring! Schwimm!
    Sie taumelte wieder hoch, erfüllt von dem blinden Verlangen, ihn umzubringen. Ihn zu erwürgen, ihm die Augen auszukratzen. Das Deck sackte unter ihr weg wie ein defekter Aufzug, seine Schlagseite wurde noch stärker, und sie fiel abermals und prellte sich die Knie. Fast hätte sie den Rettungsring verloren.
    Sie wandte den Kopf. Die Steuerbordreling schnitt bereits unter Wasser, und graue, häßliche Wellen mit verkohltem Treibgut schwappten das schrägliegende Deck herauf. Das Schiff war ausgeweidet, dem Untergang preisgegeben.
    Angst überwältigte sie. Mit der Panik kam der Überlebenswille. Sie riß und zerrte sich den Sari vom Leib. Ihre Sandalen waren längst fort. Sie zog den Rettungsring über Kopf und Schultern, dann krabbelte sie zur Bugreling, benutzte sie als Sprungbrett und ließ sich ins Wasser fallen.
    Es

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