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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Es ging wie am Fließband: Rufe, Befehle, Schreie, lautes Flehen um Gnade, wildes Geknatter von Maschinengewehrfeuer. Vereinzelte Gnadenschüsse. Türenschlagen, anspringende Motoren. Nach einiger Zeit kam die nächste Ladung. Dann noch eine. Dann wieder eine, bis zum Morgen.
    Jofuette hatte sich seit Tagen geängstigt. Endlich kamen die Wärterinnen, sie zu holen. Sie lächelten und redeten ihre Sprache, schienen ihr zu sagen, daß es zu Ende sei und sie nach Hause gehen könne. Die größere der beiden grinste suggestiv, stemmte die Hände in die Seiten und machte eindeutige Hüftbewegungen. Ein Freund, sagte sie - oder vielleicht Jofuettes Mann. Oder vielleicht schlug sie ein Sippenfest zur Feier der Entlassung vor, mit Tanz und Hirsebier.
    Jofuette lächelte nervös. Eine der Wärterinnen gab ihr eine Zigarette und zündete sie mit einer Verbeugung an.
    Laura sah sie nie wieder.
     
    Als man das Videogerät für die übliche wöchentliche Fernsehstunde in die Zelle brachte, wartete Laura, bis die Wärterinnen gegangen waren, dann hob sie das Gerät mit beiden Händen auf und schlug es wiederholt gegen die Wand. Es brach auseinander, ein Gewirr von Verdrahtungen und gedruckten Schaltungen. Sie trampelte mit den Füßen darauf herum, als die Tür aufflog und zwei männliche Wärter hereinstürzten.
    Sie hatten Schlagstöcke in den Händen. Laura warf sich mit geballten Fäusten auf sie.
    Sie schlugen sie augenblicklich zu Boden, mit verächtlicher Leichtigkeit.
    Dann warfen sie sie auf ihre Pritsche und begannen sie mit methodischer Gründlichkeit zu schlagen, auf den Rücken, die Nieren, den Nacken. Blitzentladungen zuckten vor ihren Augen, Starkstromstöße vom elektrischen Stuhl, weißglühend und blutrot. Sie hieben mit Äxten auf sie ein, hackten ihren Körper in Stücke. Sie wurde geschlachtet.
    Tosen erfüllte ihren Kopf. Die Welt verging.
    Eine Frau saß ihr gegenüber auf Jofuettes Pritsche. Eine blonde Frau in blauem Kleid. Wie alt - vierzig, fünfzig?
    Ein trauriges, gefaßtes Gesicht, Krähenfüße, gelblichgrüngraue Augen. Cojotenaugen.
    Mutter…?
    Die Frau schaute sie an: Erinnerung, Mitleid, Stärke. Es war beruhigend, die Frau anzusehen. Beruhigend wie ein stiller Traum: Sie trägt meine Lieblingstönung von Blau.
    Aber wer ist sie?
    Endlich erkannte Laura sich selbst. Natürlich. Ansturm von Erleichterung und Freude. Ich bin es.
    Ihre Persona erhob sich von der Pritsche. Sie kam schwebend, anmutig, geräuschlos herüber. Strahlend. Sie kniete stumm an Lauras Seite nieder und blickte ihr ins Gesicht: mit ihrem eigenen Gesicht. Älter, stärker, weiser.
    Da bin ich.
    »Ich sterbe.«
    Nein, du wirst leben. Du wirst sein, wie ich bin.
    Die Hand hielt einen Zoll vor ihrem Gesicht inne und liebkoste die Luft. Sie fühlte ihre Wärme und sah sich selbst, bäuchlings auf der Pritsche, zerschlagen, wie gelähmt.
    Sie spürte die mitfühlende, heilende Strömung, die von außen eindrang. Armer, zerschlagener Körper, unsere Laura, aber sie wird nicht sterben. Sie lebt. Ich überlebte.
    Nun schlaf!
     
    Sie war einen Monat lang krank. Ihr Urin war von Blut gerötet. Nierenschaden. Und sie hatte große, schmerzende Blutergüsse auf dem Rücken, den Armen und Beinen. Starke Prellungen, die tief in die Muskeln hineingingen und bis auf den Knochen anschwollen. Sie war matt und verwirrt, kaum fähig zu essen.
    Schlaf war ein Ringen um die richtige Lage, die am wenigsten schmerzte.
    Sie hatten die Trümmer des Videogerätes hinausgeschafft. Laura wußte nicht, warum sie es zerschlagen hatte. Sie vermutete, daß jemand ihr eine Spritze gegeben hatte, denn über dem Handgelenk, an einer der wenigen Stellen, die die Wärter ausgelassen hatten, schien ein kleiner Bluterguß um eine Einstichstelle zu sein. Eine Frau, dachte sie; sie hatte eine Ärztin gesehen, die vielleicht sogar zu ihr gesprochen hatte, und das war die Erfahrung ihrer Optima Persona gewesen.
    Die Wärter hatten sie zur Strafe mit Gummiknüppeln geprügelt. Und sie hatte ihre Optima Persona gesehen. Sie war nicht sicher, was die wichtigere Erfahrung war, doch wußte sie, daß beides Wendepunkte waren.
    Wahrscheinlich war es eine Ärztin gewesen, die sie gesehen hatte. Bloß hatte sie in ihrem halb bewußtlosen Zustand geträumt, sich selbst zu sehen. Das war wahrscheinlich alles, was es mit einer Optima Persona auf sich hatte, für jeden: Anspannung und ein tiefes psychisches Bedürfnis führten zu halluzinativen Vorstellungen. Aber das war nicht,

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