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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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worauf es ankam.
    Sie hatte eine Vision, gleichgültig, woher sie gekommen war. Sie klammerte sich daran fest und war froh, daß man sie in Ruhe ließ, weil sie darüber schmunzeln und sie an sich drücken konnte. Und hegen.
    Haß. Sie hatte diese Leute bisher nie wirklich gehaßt, nicht wie sie es jetzt tat. Sie war immer zu klein und zu ängstlich und zu hoffnungsvoll gewesen, irgendeinen Ausweg zu finden, eine Lösung, die ihr in den Augen der anderen den Makel des Sicherheitsrisikos nehmen würde, als ob sie Leute wie sie selbst wären und so behandelt werden könnten. Das hatten sie vorgegeben, aber nun sah Laura keine Brücke mehr. Sie würde sich niemals ihnen anschließen oder zu ihnen gehören oder die Welt durch ihre Augen sehen. Sie gelobte sich, daß sie ihre Feindin bis zum Tode sein würde. Das war ein beruhigender Gedanke.
    Sie wußte, daß sie überleben würde. Eines Tages, sagte sie sich, würde sie auf ihren Gräbern tanzen. Es war kein rationaler Gedanke, es war Glaube. Sie hatten einen Fehler gemacht und ihr Selbstvertrauen gegeben.
     
    Ein gewaltiges Getöse weckte sie. Es klang wie ein aufgedrehter gigantischer Wasserhahn, begleitet vom schrillen Pfeifen eines Dampfventils. Der Lärm näherte sich, wurde stärker, rauschte über sie hinweg.
    Dann ungeheure Trommelschläge. Bum. Bum. Bum-wam-bam - dumpfe, krachende Schläge. Licht flackerte durch das Fensterloch in ihre Zelle, dann ein weiterer Blitz. Gleich darauf eine jähe, donnernde Explosion in der Nähe. Erdbeben. Die Wände erzitterten. Heißes rotes Licht - der Horizont stand in Flammen.
    Die Wärter und Wärterinnen liefen draußen im Korridor auf und ab und riefen einander zu. Sie fürchteten sich, und Laura hörte die Furcht in ihren Stimmen mit einer wilden Aufwallung primitiver Freude. Draußen wurde schwächliches Geknatter von Handfeuerwaffen laut, dann, verspätet und aus der Ferne das unheimliche Heulen von Luftschutzsirenen.
    Jemand im oberen Stockwerk begann gegen die Zellentür zu schlagen. Gedämpfte Rufe. Andere Gefangene im Oberstock riefen aus ihren Zellen. Laura konnte die Worte nicht verstehen, aber sie erkannte den Tonfall. Wut und Schadenfreude.
    Sie schwang ihre Beine von der Pritsche und setzte sich aufrecht. Aus der Ferne drang verspätetes Flakfeuer zu ihr herein. Krump, whump, krump. Spinnennetze von Leuchtspurmunition durchkreuzten den Himmel.
    Jemand bombardierte Bamako. »Ja!« schrie Laura. Sie sprang vom Bett, lief zur Tür und schlug mit aller Kraft dagegen.
     
    In der folgenden Nacht kamen Tiefflieger. Wieder das jähe Tosen und Pfeifen, Jagdbomber in Baumwipfelhöhe. Sie hörte die Bordkanonen feuern, ein unheimliches, krampfhaftes Kotzen: bup-bup-bup-bup. Das Geräusch verschwand, als die Maschinen über die Stadt hinrasten, dann folgte das Krachen von explodierenden Bomben oder Raketen: Whomp, kromp, und grelle Explosionsblitze erhellten die Nacht.
    Dann die verspätete Fliegerabwehr. Diesmal gab es mehr davon, und sie war besser organisiert. Flakbatterien und sogar das hohle Pfeifen von Flugabwehrraketen.
    Aber die Jagdbomber ließen es mit einem Überflug bewenden und machten sich aus dem Staub. Malis Radar mußte ausgeschaltet worden sein, folgerte Laura selbstzufrieden. Andernfalls würden sie nicht zu spät das Feuer eröffnen, nachdem der Angriff bereits erfolgt war, sondern wenn die Angreifer sich im Anflug befanden. Wahrscheinlich hatten sie als erstes das Radarnetz zerstört.
    Bisher hatte Laura stets den tiefsten Abscheu vor allen Formen kriegerischer Aktivität bekundet, nun aber glaubte sie nie Erhabeneres als diesen Kriegslärm vernommen zu haben. Der Himmel war voll vom Zorn der Engel. Daß in Bamako unschuldige Menschen getötet wurden, verdrängte sie; es kümmerte sie nicht einmal, ob sie das Gefängnis trafen. Um so besser.
    Die Wärter feuerten mit Maschinengewehren vom Dach in den schwarzen Himmel. Dummköpfe. Sie waren Dummköpfe.
     
    Am Morgen kamen zwei Wärter in ihre Zelle. Sie schwitzten, was nichts Neues war, denn im Gefängnis schwitzten Wärter und Gefangene ohne Unterschied, aber sie waren unruhig und nervös.
    »Was macht der Krieg?« fragte Laura.
    »Kein Krieg«, sagte einer der Wärter, ein Mann mittleren Alters, der etwas englisch konnte. Er war keiner von denen, die sie verprügelt hatten. »Übung.«
    »Luftschutzübung? Mitten in der Nacht?«
    »Ja. Unsere Armee. Übung. Nicht sorgen.«
    »Diesen Unsinn soll ich glauben?«
    »Nicht reden!« Sie legten ihr

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