Inseln im Netz
betrachteten Geduld als eine Tugend. Früher oder später würden sie an die Wahrheit herankommen, gleichgültig, wer sie verbarg.
Der unmittelbare Verdacht richtete sich gegen Singapur, entweder die Islamische Bank oder die Regierung von Singapur, obwohl oder weil die Verbindungen zwischen beiden unklar waren. Niemand zweifelte daran, daß Singapur imstande gewesen sei, den Anschlag in Galveston auszuführen. Singapur war der Wiener Konvention nicht beigetreten und brüstete sich offen mit der Reichweite und Schlagkraft seiner militärischen und nachrichtendienstlichen Organisationen.
Es war jedoch schwierig zu verstehen, warum sie sich mit Grenada anlegen sollten, nachdem sie in Verhandlungen eingewilligt hatten. Noch dazu durch eine waghalsige Provokation wie Stubbs' Ermordung, die Grenada in Erbitterung versetzen mußte, ohne wirklichen strategischen Schaden anzurichten. Singapur war arrogant und technisch skrupellos, aber niemand konnte behaupten, daß dort Dummköpfe den Kurs bestimmten.
So kam der Ausschuß überein, das Urteil auszusetzen und weitere Hinweise abzuwarten. Gegenwärtig gab es zu viele Möglichkeiten, und der Versuch, jeden denkbaren Sachverhalt abzudecken, würde nur lähmend wirken. Einstweilen würden sie ihre Vermittlungstätigkeit fortsetzen und das Bulletin der Terroristen unbeachtet lassen.
FAKT war offensichtlich eine Bedrohung, wenn man davon ausging, daß FAKT eine separate Existenz von den Leuten hatte, mit denen sie bereits in Verbindung standen. Tröstlich war, daß FAKT die klare Möglichkeit, eine Gesellschafterin von Rizome - Laura - zu töten, nicht genutzt hatte.
Die Diskussion wandte sich der Situation in Grenada zu.
»Ich sehe nicht, was wir dort erreichen können, das wir nicht auch über das Netz bewerkstelligen könnten«, sagte Raduga.
»Es ist an der Zeit, daß wir aufhören, diese falsche Unterscheidung zu machen«, meinte De Valera. »Mit unseren neuesten Übertragungsgeräten - der gleichen Technik, die Wien benutzt - sind wir das Netz. Ich meine, ein Rizome-Gesellschafter mit Videobrille kann ein Spähtrupp für das ganze Unternehmen sein…«
»Wir sind nicht Wien«, sagte Kaufmann. »Der Besitz dieser neuen Technik bedeutet nicht, daß sie sich für uns auszahlen wird.«
»Wir sind gegenüber Grenada in einer mißlichen Lage«, sagte Cullen. »Diese Lage erlaubt uns nicht, eine Medieninvasion durchzuführen.«
»Ja, Charlie«, erwiderte De Valera, »aber genau das ist der Grund, warum es klappen könnte. Wir gehen hin und entschuldigen uns, kommen aber mit neuen Erkenntnissen zurück.«
Cullen runzelte die Stirn. »Wir sind verantwortlich für den Tod eines ihrer Spitzenleute. Dieses Winston Stubbs. Es ist, als wäre einer der unsrigen umgebracht worden. Als hätten wir Mr. Saito verloren.«
Einfache Worte, aber Laura sah, wie sie wirkten. Cullen hatte die Gabe, Sachverhalte auf einen menschlichen Maßstab zu bringen. Sie waren beeindruckt.
»Deshalb sollte ich nach Grenada gehen«, sagte Saito. Er sagte nie viel. Das hatte er nicht nötig.
»Es gefällt mir nicht«, sagte Garcia-Meza. »Warum müssen wir eine Auge-um-Auge-Situation daraus machen? Es ist nicht unsere Schuld, daß die Piraten Feinde haben. Wir haben den Mann nicht erschossen. Und wir sind ihnen nicht in irgendeiner Weise verpflichtet, weil einer von ihren Banditen von anderen Banditen umgebracht wurde.« Garcia-Meza vertrat in ihrer Gruppe die harte Linie. »Ich bin der Meinung, daß diese diplomatische Zugangsweise ein Fehler war. Man bringt Diebe nicht von ihrem Gewerbe ab, indem man sie umarmt. Aber ich stimme zu, daß wir jetzt nicht zurückweichen können. Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel.«
»Wir dürfen nicht zulassen, daß dieses Projekt zu einem Machtkampf unter Gangstern degeneriert«, sagte Gauss. »Wir müssen das Vertrauen, das wir mit soviel Mühe herstellten, wiedergewinnen. Also kommt es darauf an, Grenada von dreierlei zu überzeugen: daß es nicht unser Werk war, daß wir nach wie vor vertrauenswürdig sind, und daß sie bei einer Zusammenarbeit mit uns nur gewinnen können. Nicht aber durch Konfrontation.«
Diese Art zusammenfassender Darstellung war typisch für Gauss. Damit hatte er das Gespräch abgewürgt. »Ich glaube, Heinrich hat den Nagel auf den Kopf getroffen«, sagte Cullen schließlich, »aber diese Art Überzeugungsarbeit können wir nicht durch Fernsteuerung leisten. Wir müssen Leute hinschicken, die auf die Grenadiner zugehen können,
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