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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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geschrieben.»
    «Du weißt doch, wie es mit den Jungen im Krieg ist. Es kann auch sein, daß sie die Post nicht weiterleiten, das machen sie manchmal.»
    «Weißt du noch, als er kein Wort Englisch sprach?»
    «Damals in Gstad? Da hatte er gerade seine Bande gegründet. Und dann im Engadin und in Zug?»
    «Hast du irgendwelche neuen Bilder von ihm?»
    «Nur das, was du auch hast.»
    «Können wir etwas zu trinken bekommen? Was trinkst du immer hier?»
    «Was du willst. Ich guck mal, ob ich den Boy finden kann. Der Wein ist im Keller.»
    «Bitte sei nicht lange weggewesen.»
    «Das klingt komisch, wenn einer es zum andern sagt.»
    «Bitte, sei nicht lange weggewesen», wiederholte sie. «Hast du’s gehört? Ich habe dich nie gebeten, bald zurückzukommen. Das war nie unsere Schwierigkeit, und du weißt es.»
    «Ich weiß es», sagte er. «Ich werde nicht lange weggewesen sein.»
    «Und ob der Boy etwas zu essen machen kann?»
    «Sicherlich», sagte Thomas Hudson, und zu dem Kater sagte er: «Du bleibst bei ihr, Boise.»
    Warum habe ich das bloß gesagt, dachte er. Warum habe ich bloß gelogen. ‹Bring es ihr schonend bei›… warum habe ich den Wahnsinn versucht? Wollte ich das Elend wirklich für mich selbst behalten, wie Willie denkt? Bin ich wirklich so?
    Jetzt hast du es also gemacht, dachte er. Aber wie sagt man einer Mutter, daß ihr Sohn tot ist, mit der man eben im Bett gelegen hat. Wie sagst du dir’s denn selber, daß er tot ist? Du hast doch immer Antwort gewußt. Gib jetzt auch Antwort.
    Es gibt keine Antworten, soviel solltest du jetzt gemerkt haben. Es gibt überhaupt keine Antworten.
    «Tom», rief ihre Stimme, «ich bin allein und der Kater ist nicht du, auch wenn er sich’s einbildet.»
    «Setz ihn auf den Boden. Die Boys sind im Dorf, und ich hol gerade Eis.»
    «Ich will gar nichts mehr trinken.»
    «Ich auch nicht», sagte er und ging wieder zurück in die große Halle mit dem gekachelten Boden, bis er die Bastmatte fühlte. Er machte die Augen auf, und sie war noch da.
    «Du willst nicht über ihn reden, nicht wahr?» sagte sie.
    «Nein.»
    «Warum nicht? Ich glaube, es wäre besser.»
    «Er sieht dir zu ähnlich.»
    «Das ist es nicht», sagte sie. «Sag mir, ist er tot?»
    «Ja.»
    «Halte mich bitte fest. Jetzt bin ich wirklich krank.» Er merkte, daß es sie schüttelte, und er kniete neben ihrem Sessel und hielt sie und fühlte, wie sie zitterte. Dann sagte sie: «Du Armer. Du Armer, Armer.»
    Nach einiger Zeit sagte sie: «Verzeih mir alles, was ich getan oder gesagt habe.»
    «Verzeih mir auch.»
    «Du Armer und ich Arme.»
    «Alle sind arm», sagte er und fügte nicht hinzu: Armer Tom.
    «Kannst du mir irgend etwas erzählen?»
    «Nichts, nur das.»
    «Vielleicht lernen wir, damit fertig zu werden.»
    «Vielleicht.»
    «Jetzt möchte ich einfach zusammenbrechen, aber ich fühle mich nur krank und ausgehöhlt.»
    «Das kenne ich.»
    «Passiert es allen Leuten?»
    «Ich glaube. Aber uns kann es nur einmal passieren.»
    «Jetzt ist es wie ein Haus, in dem ein Toter liegt.»
    «Verzeih mir, daß ich dir’s nicht gleich gesagt habe.»
    «Das ist in Ordnung», sagte sie. «Du verschiebst immer alles. Es tut mir nicht leid.»
    «Ich sehnte mich so verdammt nach dir, und ich war egoistisch und dumm.»
    «Du bist nicht egoistisch gewesen.»
    «Wir haben uns immer geliebt. Wir haben nur Fehler gemacht.»
    «Die schlimmen habe ich gemacht.»
    «Nein, beide. Laß uns nie mehr streiten.» Etwas geschah ihr, und am Ende weinte sie und sagte: «O Tommy. Mit einemmal kann ich es nicht mehr ertragen.»
    «Das kenne ich», sagte er. «Meine schöne, gute, wunderbare Schöne. Ich halt es auch nicht aus.»
    «Wir sind so jung und dumm gewesen, und wir waren so schön, und Tommy war so verdammt schön…»
    «Wie seine Mutter.»
    «Und jetzt kann es uns keiner mehr ansehen.»
    «Meine arme, liebe Liebe.»
    «Und was machen wir jetzt?»
    «Du tust, was du tust, und ich tue, was ich tue.»
    «Können wir nicht eine Weile zusammen bleiben?»
    «Nur solange der Wind anhält.»
    «Dann soll es wehen. Glaubst du, daß es gemein ist, wenn wir miteinander schlafen?»
    «Ich glaube, daß Tom es verstehen würde.»
    «Bestimmt.»
    «Weißt du noch, wie du ihn beim Skifahren auf den Schultern hattest? Und wie wir gesungen haben, als wir durch den Obstgarten hinter dem Gasthaus in der Dämmerung hereinkamen?»
    «Ich weiß alles noch.»
    «Ich auch», sagte sie. «Warum waren wir nur so dumm.»
    «Wir haben uns

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