Inseln im Strom
Büchern, die man wieder lesen konnte. Wenn die Zeitung kam, so war das ein Ereignis innerhalb der Routine gewesen, und wenn sie nicht regelmäßig kam, hatte ihr Ausbleiben ihn enttäuscht. Es hatte einer Menge Erfindungen bedurft, wie einsame Leute sie machen, um mit sich fertig zu werden und die Einsamkeit nicht länger zu merken, und er hatte sich Regeln aufgestellt und Gewohnheiten befolgt und sich – wissentlich und unwissentlich – an sie gehalten. Aber seit die Jungen hier waren, war er erleichtert, daß er sie nicht länger befolgen mußte.
Es würde schlimm werden, wenn alles wieder anfing, dachte er bei sich, und er wußte genau, wie es war. Ein paar Stunden am Tag würde es ihm gefallen, daß das Haus wieder aufgeräumt war und daß er allein war und denken und lesen konnte, ohne jemanden reden zu hören, und Dinge ansehen, ohne davon reden zu müssen. Und er würde arbeiten, konzentriert und ohne unterbrochen zu werden -und dann würde die Einsamkeit anfangen. Die drei Jungen hatten wieder einen großen Platz in seinem Leben eingenommen, und wenn sie weggingen, würde da eine Leere sein, und für eine Weile würde es ihm sehr schlechtgehen.
Seine Existenz beruhte fest auf seiner Arbeit und auf seinem Leben auf der Insel im Golfstrom und war beständig. Die Tricks und Regeln und Gewohnheiten waren nur dazu da, die Einsamkeit leichter zu machen. Wenn die Jungen weg waren, würde sie eine neue, furchtbare Chance haben, und es gab nichts, was man dagegen tun konnte. Aber es würde erst später soweit sein, und da es unvermeidlich kommen würde, lohnte es sich nicht, jetzt schon darüber zu grübeln.
Bis jetzt war der Sommer gut und glücklich verlaufen. Alles, was schlimm ausgesehen hatte, war gut ausgegangen. Er meinte damit nicht nur die aufregenden Sachen wie Rogers Kampf mit dem Mann auf der Pier, der sehr schlimm hätte ausgehen können, oder die Geschichte mit David und dem Hai; auch die kleinen Zwischenfälle hatten ein gutes Ende genommen. Manche sagen, Glück sei fad, dachte er, während er schlaflos lag. Das kommt davon, daß fade Leute manchmal sehr glücklich sind, während die intelligenten bloß da zu sein scheinen und da sind, sich und andere unglücklich zu machen. Ihm war Glück niemals fade vorgekommen. Es war ihm immer aufregender erschienen als alles andere, viel mächtiger und eindringlicher, sofern man nur imstande war, es wahrzunehmen, und er fand, daß es ebenso intensiv sein konnte wie bei anderen Menschen die Sorgen, so fern sie sich welche zu machen vermochten. Das stimmte vielleicht nicht, aber er hatte es geglaubt, lange Zeit, und in diesem Sommer hatten sie nun einen ganzen Monat Glück erlebt, und jetzt, nachts manchmal, sehnte er sich schon danach zurück, obgleich es noch nicht einmal vorüber war.
Vom Alleinsein wußte er alles, was man davon wissen kann, und wie es war, mit jemandem zu leben, den man liebte und der einen wieder liebte, war ihm auch bekannt. Er hatte seine Kinder immer geliebt, aber jetzt erst war ihm klargeworden, wie sehr, und wie schlimm es war, daß er nicht mit ihnen zusammen lebte. Er wünschte sich, mit Toms Mutter verheiratet zu sein und sie alle bei sich zu haben, aber dann dachte er wieder, daß das genauso albern war, wie wenn er sich den Reichtum der ganzen Welt gewünscht hätte, mit dem Vorsatz, so intelligent wie nur möglich mit ihm umzugehen, oder so gut zeichnen zu können wie Leonardo oder so gut zu malen wie Pieter Breughel oder ein Einspruchsrecht zu haben gegen jede Gemeinheit und imstande zu sein, sie unfehlbar vorauszusehen, und wenn sie anfing, bloß auf einen Knopf drücken zu müssen, um sie abstellen zu können, und dabei gesund und guter Dinge zu sein und unsterblich und weder körperlich noch geistig kaputtzukriegen. Das wären ein paar gute Sachen, wenn man sie hätte, dachte er jetzt in der Nacht, aber man konnte sie ebensowenig bekommen wie die Jungen, oder wie es möglich war, daß jemand lebte, der einen liebte, wenn der, den man liebte, tot oder fortgegangen war aus deinem Leben. Es gab unter den Sachen, die man nicht haben konnte, ein paar, die konnte man haben, und eine davon war, daß man es wußte, wenn man glücklich war, und es genoß, solange es dauerte und gut war. Es gab viele Dinge, die ihm dieses Gefühl einflößten, wenn er sie hatte, aber gerade jetzt, in diesen Wochen, brachten es vier Menschen so weit, daß alles gut war, wie sonst nur ein einziger Mensch es fertiggebracht hatte, solange es keine
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