Inseln im Strom
Schwierigkeiten gegeben hatte, und diesmal hatte es überhaupt keine gegeben. Es machte ihm nicht einmal etwas aus, jetzt nicht schlafen zu können, und er erinnerte sich an schlaflose Nächte, in denen er dagelegen und den Verlust der drei Jungen bedauert und an den Narren gedacht hatte, der er selber gewesen war. Er hatte an Dinge denken müssen, die er getan hatte, weil er sie einfach nicht hatte lassen können oder sich eingebildet hatte, daß er sie nicht lassen könnte, und so war er von einem gräßlichen Fehlschluß zum nächsten gekommen, der noch schlimmer war. Er hatte jetzt gelernt, das als seine Vergangenheit zu akzeptieren, und er war fertig damit, ohne Bedauern. Er war ein Narr gewesen, und er machte sich nichts aus Narren. Aber das war jetzt vorüber, und jetzt waren die Jungen bei ihm und liebten ihn, und er liebte sie, und so sollte es bleiben. Wenn die Zeit um war, würden sie abreisen, und er war wieder allein, aber das war nur eine Zwischenzeit, denn sie würden zurückkommen. Wenn Roger hierblieb und arbeitete, würde er Gesellschaft haben, und es würde viel leichter sein. Aber er kannte sich nicht aus mit Roger und wußte nie voraus, was er tun würde. Er lächelte im Dunkeln, während er an Roger dachte. Dann tat ihm Roger plötzlich leid, bis ihm einfiel, wie illoyal es war und wie sehr Roger sein Mitleid gehaßt haben würde, und er ließ es sein. Und während er sie atmen hörte, schlief er ein.
Aber als der Mondschein sein Gesicht erreichte, wachte er noch einmal auf und fing an, an Roger und die Frauen zu denken, mit denen er Schwierigkeiten gehabt hatte. Roger und er waren beide dumm gewesen und hatten sich Frauen gegenüber schlecht betragen, und da er nicht gerne an seine eigenen Dummheiten dachte, dachte er lieber an Rogers. Ich werde ihn nicht bemitleiden, dachte er, also bin ich nicht illoyal ihm gegenüber. Ich habe selber genug Geschichten gehabt, also ist es nicht illoyal, wenn ich an seine denke. Mein Fall ist auch anders. Ich habe nur eine Frau wirklich geliebt, und die habe ich verloren. Ich weiß gut genug, warum. Aber jetzt habe ich es hinter mir, und wahrscheinlich wäre es besser, wenn ich auch über Roger nicht nachdächte. Aber er konnte bei Mondschein nie schlafen, auch heute nicht, und so dachte er an die schlimmsten und an die komischen Schwierigkeiten, in denen Roger gesteckt hatte. Er mußte an das letzte Mädchen denken, in das sich Roger verliebt hatte, als sie beide in Paris gelebt hatten, und wie hübsch und wie unmöglich er sie gefunden hatte, als Roger sie ins Atelier mitbrachte. Roger fand nichts Unmögliches an ihr. Sie war wieder eine von seinen Illusionen, und er diente ihr mit seiner ganzen großen Fähigkeit, treu zu sein, bis sie beide frei wären, zu heiraten. Dann plötzlich, innerhalb von vier Wochen, wurde Roger all das klar, was alle anderen, die sie genauer kannten, stets gewußt hatten. Es mußte ein ziemlich schwieriger Tag gewesen sein, als es passiert war, aber als Roger zu ihm ins Atelier gekommen war, war er schon einigermaßen mit sich im reinen. Er hatte sich eine Weile die Bilder angesehen und sie sehr intelligent kritisiert und dann plötzlich gesagt:
«Ich habe dieser Ayers gesagt, daß ich sie nicht heirate.»
«Gratuliere», hatte Thomas Hudson geantwortet. «Hat es sie überrascht?»
«Nicht allzusehr. Wir hatten gelegentlich schon darüber gesprochen. Sie ist nicht echt, ein ganz windiges Stück.»
«Wieso?» hatte Thomas Hudson gesagt. «Inwiefern?»
«In jeder Beziehung.»
«Ich dachte, du machtest dir was aus ihr.»
«Nein, ich hab’s nur versucht. Ich war verliebt, aber ich hab nur den Anfang geschafft.»
«Was heißt ‹verliebt›?»
«Du solltest das wissen.»
«Richtig», hatte Thomas Hudson gesagt, «ich sollte das wissen.»
«Hast du sie nicht gemocht?»
«Ich hab sie nicht ausstehen können.»
«Warum hast du mir nichts gesagt?»
«Sie war dein Mädchen. Außerdem hast du mich nicht gefragt.»
«Ich habe es ihr jedenfalls gesagt, und jetzt muß ich aufpassen, daß ich es nicht wieder umwerfe.»
«Du solltest besser verschwinden.»
«Nein», sagte Roger, «soll sie doch verschwinden.»
«Ich dachte nur, es wäre einfacher.»
«Die Stadt gehört mir ebensogut wie ihr.»
«Ich weiß», hatte Thomas Hudson gesagt.
«Du hast’s doch auch mal durchgestanden, nicht wahr?» hatte Roger gefragt.
«Ja. Aber jedesmal steht man’s nicht durch. Natürlich kannst du’s versuchen. Warum ziehst du nicht
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