Inseln im Wind
trug, und nun erinnerte sie sich auch wieder an den Namen. Er musste der Priester sein, von dem Harold gesprochen hatte. Der junge Mann bemerkte ihren Blick und sah Elizabeth in einer Mischung aus Trotz und Resignation an, doch sie bedachte ihn lediglich mit einem dankbaren, wenn auch sehr zittrigen Lächeln.
» Woher wusstest du, dass wir eingesperrt sind?«, fragte sie dann das Mädchen.
» Von Rose. Wir … standen in Verbindung.«
» Wo ist Johnny?«, wollte Elizabeth drängend wissen.
» Mister Dunmore hat den Kleinen zu Miranda gebracht, bevor er mit Paddy und Rose nach Rainbow Falls gefahren ist.«
Elizabeth atmete aus. Ihrem Sohn ging es gut. Das war das Wichtigste.
Felicity war neben Elizabeth getreten, sie weinte vor Erleichterung.
» Die gute Rose! Wo ist sie jetzt?«
» Auf Rainbow Falls.« Deirdres Gesicht entspannte sich ein wenig. » Ich bin gottfroh, dass Euch nichts geschehen ist. Rose meinte …« Deirdre hielt inne und schüttelte erleichtert den Kopf. » Jetzt ist ja alles gut.«
Elizabeth nahm bewegt die Hände der jungen Frau, doch das war nicht genug. Sie legte die Arme um Deirdre und drückte sie fest an sich.
» Du bist ein gutes Mädchen! Ich habe dir viel zu verdanken.« Über Deirdres Schulter sagte sie zu dem jungen Priester: » Keine Sorge, Mister Fitzgerald. Bei mir ist Euer Geheimnis sicher.«
Jetzt erst merkte Elizabeth, wie abgemagert Deirdre war. Sie hielt das Mädchen mit ausgestreckten Armen von sich.
» Um Himmels willen, wie dünn du geworden bist! Wo warst du nur all die Wochen? Ich habe nach dir gesucht! Was glaubst du, welche Sorgen ich mir gemacht habe!«
» Ich wollte Mister Dunmore nicht mehr unter die Augen kommen.«
» Oh, Deirdre, ich hätte schon achtgegeben, dass er dich nicht mehr schlägt!«, beteuerte Elizabeth, doch noch während sie das sagte, erkannte sie, dass sie es womöglich gar nicht hätte verhindern können. Schließlich war sie schon einmal zu spät gekommen.
» Du solltest zurück in deine Heimat reisen«, sagte Elizabeth spontan. » Ich zahle dir die Passage und gebe dir genug Geld mit. Den Schuldkontrakt werde ich zerreißen, du sollst frei sein!«
Deirdre schluckte überrascht.
» Das würdet Ihr für mich tun?«
» Jederzeit.«
Deirdres Kleidung starrte vor Schmutz, in ihren Zügen zeigte sich die wochenlange Entbehrung, das einstmals glänzende rote Haar war stumpf und verfilzt, doch als sie nun zögernd Elizabeths Lächeln erwiderte, blitzte ihr früherer Liebreiz wieder auf. Elizabeth bemerkte, dass die Blicke des jungen Paters auf Deirdre ruhten. Sie erkannte den Ausdruck verzweifelter Entsagung in seinen Augen. Rasch senkte er die Lider und trat einen Schritt zurück.
» Wir müssen weiter, Deirdre. Hier in der Stadt ist es für uns zu gefährlich. Jemand könnte uns erkennen.« Er setzte seinen Hut auf, sodass sein Gesicht vollständig von der Krempe beschattet war. Nun sah er aus wie ein beliebiger Arbeiter. Er verbeugte sich knapp vor Elizabeth. » Mylady. Komm, Deirdre. Unsere Aufgabe hier ist erfüllt.«
Deirdre gesellte sich zu ihm und blickte über die Schulter zurück.
» Lebt wohl, Mylady. Alles Gute für Euch und Miss Felicity! Bitte küsst den Kleinen von mir, er fehlt mir so!«
» Wo kann ich dich finden?«, fragte Elizabeth.
Deirdre, schon auf der Treppe, schüttelte nur kaum merklich den Kopf. Ihre Miene drückte Hoffnungslosigkeit aus.
» Ich danke dir!«, rief Elizabeth ihr nach. » Und Euch ebenso, Mister Fitzgerald!« Die Schritte der beiden verklangen, das flackernde Laternenlicht verschwand mit ihnen in der Dunkelheit.
Deirdre folgte Edmond durch die Halle über den Hof zur Pforte. Das Anwesen war menschenleer, das Tor stand sperrangelweit offen. Jeder hätte hereinkommen können.
» Seltsam«, sagte Deirdre, während sie zu Edmond aufschloss.
» Was ist seltsam?«, fragte Edmond, sich zu ihr umwendend.
Stirnrunzelnd deutete sie auf das Tor.
» Stand es eigentlich vorhin auch schon so weit offen, als wir kamen?«
» Ich habe nicht darauf geachtet.« Er beschleunigte seine Schritte. » Ist dir jetzt wohler? Ich meine, weil du ihr geholfen hast.«
» Das war das Wenigste«, versetzte Deirdre. » Sie hat mir auch geholfen.«
» Sie hat es nicht geschafft, dir ihren Mann vom Hals zu halten.«
» Das war nicht ihre Schuld.«
» Wenn man dich so hört, war es niemandes Schuld.«
Seine Stimme hatte einen verbitterten Klang. Deirdre musterte ihn verstohlen, während sie neben ihm her eilte. Sein
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