Inselzirkus
Noch mehr freute er sich, als er auf die Frage, ob die Damen es auch mit seinem Aufgesetzten probieren wollten, einhellige Zustimmung erntete.
Während er den roten Likör in die Gläser kleckerte, sah Fietje seine Stunde gekommen. Zwar blieb er an der Theke sitzen, wechselte aber von seinem Stammplatz auf den Hocker, der Mamma Carlotta am nächsten stand.
»Ich wollte mal was fragen«, begann er so umständlich, als hätte er sich diese Worte nicht sorgsam zurechtgelegt, sondern tatsächlich etwas auf dem Herzen, was ihn bedrückte.
»Was gibtâs?«, gab Mamma Carlotta zurück und fragte sich, warum sie mit ihrer Sprechrolle beim Dreh vorhin nicht genauso gut zurechtgekommen war. Auch hier spielte sie eine Rolle, nur dass die Kamera fehlte.
»Ihr Schwiegersohn ist doch der Kriminalhauptkommissar Wolf?«, fuhr Fietje fort und schaffte es, den schleppenden Tonfall beizubehalten.
»Was wollen Sie von ihm?«, fragte Mamma Carlotta und merkte, dass sie eine Spur zu laut gesprochen hatte. Sie musste erreichen, dass die anderen auf ihr Gespräch mit Fietje aufmerksam wurden. Wie sonst sollte ihr Plan funktionieren?
»Ich habe einen Freund, der ist obdachlos.« Fietje sah kurz in die Runde und stellte nun zufrieden fest, dass nicht nur Mamma Carlotta, sondern auch die drei Bösen Hühner ihm zuhörten. »Der hat heute Morgen eine Hose auf seiner Decke gefunden. Eine neue! Geschenkt! Richtig gute Qualität!«
»Wie schön für ihn!«, jubelte Mamma Carlotta und verbot es sich, Heidi, Kristin oder Beate ins Gesicht zu sehen.
»Ja, er hat sich auch sehr gefreut. Nur ⦠in der Hose steckte ein Handy. Ob das da wohl versehentlich dringeblieben ist?«
Mamma Carlotta tat so, als dächte sie über Fietjes Frage nach. »Das kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand einem Obdachlosen sein Handy schenkt.«
»Sehen Sie! Das glaube ich auch nicht. Und mein Freund Busso meint das auch.« Fietje neigte sich näher zu Mamma Carlotta, aber seine Stimme war so laut und deutlich wie vorher. »Das Handy gehört anscheinend der Tochter von diesem ⦠diesem Mann, der in dem Schrank gefunden wurde.«
Mamma Carlotta brauchte den Kopf nicht zu drehen. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Kristin, Beate und Heidi schweigend dem Gesprächsverlauf lauschten.
»Auf dem Handy war eine Nachricht, hat mir Busso erzählt. Eine Nachricht an seine Tochter. Busso sagt, seine Stimme hätte sehr verzweifelt geklungen. Er sei in einem Schrank gefangen. Aber er habe durch eine Lücke am Scharnier genau gesehen, wer die Möbelstücke davorgerückt hat, damit er nicht rauskonnte. Und dann hat er seine Tochter angefleht, die Polizei zu alarmieren.« Fietje schüttelte mitleidig den Kopf. »Doch dann ist ihm wohl eingefallen, dass seine Tochter ihr Handy bei ihm vergessen hat und es in seiner eigenen Hose steckt. Er muss ganz verzweifelt gewesen sein. Busso sagt, er wäre immer kurzatmiger geworden, hätte geröchelt und gestöhnt. Und dann war Schluss.«
Mamma Carlotta griff sich erschüttert ans Herz. »Das ist ja schrecklich! Der Mann muss kurz darauf gestorben sein!«
Fietje nickt bekümmert. »Busso sagt sogar, der arme Kerl hätte einen Namen genannt. Aber mir wollte er ihn nicht verraten.« Fietje hob abwehrend die Hände. »Bin ich froh! Ich will gar nicht wissen, wer so was Gemeines macht. Busso meinte, es wäre wohl besser, wenn er sich an die Polizei wenden würde.«
»Unbedingt!«, pflichtete Mamma Carlotta bei. »Er hat also den Namen seines Mörders genannt? Oder seiner Mörderin? Mein Schwiegersohn muss das wissen! Er hat ja noch keine Spur.«
»Busso traut sich aber nicht. Er hat keine guten Erfahrungen mit der Polizei gemacht.«
»Das müssen Sie ihm ausreden! Am besten, Sie gehen gleich zu ihm. Ist das nicht der Obdachlose, der vor dem Inselzirkus campiert?«
Fietje nickte. »Nach Einbruch der Dunkelheit wird er sich dort wohl schlafen legen. Ich werde mal gucken, ob ich ihn irgendwo in Wenningstedt sehe. Dann sage ich ihm, er soll vor Ihrem Schwiegersohn keine Angst haben.«
»Enrico ist ein sehr netter Mann«, versicherte Mamma Carlotta verabredungsgemäÃ. »Er wird ihm für seine Hilfe dankbar sein. Ihr Freund soll zwischen acht und neun morgen früh zu ihm gehen, dann wird Enrico im Büro sein. Der wird sich freuen! Morgen früh
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