Inselzirkus
von ihm überhaupt eine Sprechrolle haben wollte!
Aus ihrer Abneigung wurde helle Empörung, als sie merkte, wie Harry Jumperz die jungen Komparsinnen musterte, die sich weiter in der Kantine herumdrückten, obwohl das Casting beendet war. Hier spielte das Leben, das auf dem Bildschirm so fern und nun plötzlich so nah war. Die reiche Arzttochter war hier gar nicht nach dem neuesten Schick gekleidet, und ihre intrigante Cousine wirkte ohne das raffinierte Make-up geradezu erschreckend normal.
»Da sind ja ein paar süÃe Küken dabei«, bemerkte Harry Jumperz.
»Aber nicht deine Altersklasse!«, kam es vom Nachbartisch, an dem drei Schauspielerinnen saÃen, die den Lebensabschnitt des Kükens schon eine Weile hinter sich gelassen hatten.
»Nur kein Neid«, gab Harry Jumperz grinsend zurück. »Frauen werden mit den Jahren eben immer älter und Männer immer schöner. Das wisst ihr doch! Oder kriegen Männer vielleicht Zellulite?«
»Kriegen Frauen etwa eine Glatze und PotenzstöÂrungen?«
Mamma Carlotta starrte die Frau erschrocken an, die es gewagt hatte, dem Chefautor von »Liebe, Leid und Leidenschaft« derart Paroli zu bieten.
Aber Harry Jumperz konnte entweder Spaà verstehen, oder er war wirklich so selbstsicher, wie er sich gab. »Eine Glatze spielt überhaupt keine Rolle, wenn der Kopf, zu dem sie gehört, genial ist. Und Potenz ist eine Frage der Intelligenz! Sexualität beginnt nämlich im Kopf, meine Liebe!«
»Und wo sie endet, wissen wir ja.«
Dieser Satz war mehr für die beiden Tischnachbarinnen bestimmt gewesen als für Harry Jumperz. Was er bedeuten mochte, wagte Mamma Carlotta sich nicht vorzustellen.
Der Chefautor schien sowohl von seiner Intelligenz als auch von seinen physischen Vorzügen derart überzeugt zu sein, dass ihn kein Spott berührte. Mit gönnerhaftem Lächeln ging er auf die jugendlichen Komparsen zu, darunter auch Carolin und Felix, die anscheinend fanden, dass es ihr gutes Recht war, dort zu bleiben, wo sich ihre GroÃmutter aufhielt. Besorgt beobachtete Mamma Carlotta, wie Harry Jumperz sich an ihre Enkelin wandte und sie mit einer Bemerkung zum Lachen und gleichzeitig zum Erröten brachte. Es fiel ihr schwer, sich auf Tanja Möcks Worte zu konzentrieren.
»Sie werden in eine Gaststätte gehen und vor sich hin murmeln: âºWas ist das für eine ⦠Kaschemme!â¹ Am besten wäre hier das italienische Wort.«
»La bettola«, sagte Mamma Carlotta, ohne Harry Jumperz aus den Augen zu lassen, der auf Carolin einredete und währenddessen Felix mit einer Handbewegung zu verstehen gab, dass er ihn mit seiner Schwester allein lassen solle. Jedenfalls las Mamma Carlotta das aus seiner Gestik heraus. Prompt wurde ihr warm, weil Empörung sie grundsätzlich erhitzte. Sie zog ihre Jacke aus und zupfte den gelben Pullover über ihre Hüften. In Umbrien hätte nun jeder gewusst, dass man mit Carlotta Capella besser vorsichtig umging. Wenn sie an ihrer Kleidung herumzerrte, dann war das in etwa so, als krempelte sich ein Mann die Ãrmel hoch und ballte die Fäuste.
Tanja bemerkte nicht, dass Mamma Carlotta abgelenkt war. »Dann also: âºWas ist das für eine ⦠Bettola!â¹Â«, sagte sie. »Und Ihr Gesicht muss ausdrücken, was mit Bettola gemeint ist. Eine Kaschemme!« Sie sah Mamma Carlotta fragend an. »Haben Sie verstanden, Signora? Die Location dafür suchen wir noch. Und wenn Sie da wieder rauskommen â¦Â«
Nun unterstand sich Harry Jumperz, nach Carolins Arm zu greifen. Mamma Carlotta glaubte hören zu können, wie er zu Carolin sagte: »Komm mit in mein Büro, dort sind wir allein.«
Sicher war sie sich keineswegs, ob sie diese Aufforderung richtig von seinen Lippen abgelesen hatte, aber dass sie den Sinn seiner Worte erfasst hatte, daran zweifelte sie keinen Moment.
»â¦Â dann sagen Sie: âºDer Espresso schmeckt wie Spülwasserâ¹â¦Â«
Harry Jumperz beugte sich vor, um Carolin etwas zuzuflüstern, dabei strich seine Hand über ihren Rücken â¦
In diesem Moment sprang Mamma Carlotta auf. »Che bellimbusto!«
Harry Jumperz fuhr erschrocken zusammen, als er von hinten tätlich angegriffen wurde. Das Tätliche beschränkte sich zwar auf einen knappen StoÃ, der ihn zwang, einen Schritt zur Seite zu machen, aber die nun folgende verbale Attacke gab ihm
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