Inselzirkus
Bügel, saubere Schuhe standen in einem Fach, in einem anderen lag ein dicker Pullover. Hinter der zweiten Schranktür fand Erik ein Ladekabel, das zu einem Laptop gehörte. Daneben lag Triebels Brieftasche.
»Kamera und Laptop fehlen«, erklärte Erik. »Es muss also tatsächlich um die Fotos gehen, die Triebel gemacht hat. Wegen der Fotos musste er sterben.«
Sören nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Der Hausmeister sagt, die Nachbarapartments sind zurzeit nicht bewohnt. Von den rund hundert Apartments sind nur knapp vierzig belegt. Die Wohnungen sind alle im Privatbesitz. Viele Eigentümer vermieten nie, diese Wohnungen stehen den gröÃten Teil des Jahres leer. Nur wenige haben ihre Wohnung an eine Immobiliengesellschaft vergeben, die für die Vermietung sorgt. Der Besitzer dieser Wohnung zum Beispiel macht das.« Sören zog einen Zettel aus der Tasche, auf dem er etwas notiert hatte. »Ein Arzt aus Detmold. Er ist krank und kommt nur noch selten nach Sylt.«
Erik sah Triebels Brieftasche durch, entdeckte aber nichts Besonderes. Personalausweis, Presseausweis, Führerschein, die üblichen Versichertenkarten und einige Geldscheine, mehr nicht.
»Auf dem Balkon könnten Spuren zu finden sein, Schuhspuren am Boden unter dem Balkon, Fingerspuren am Geländer und am Türgriff.«
»Es sei denn, der Täter hat Handschuhe getragen«, ergänzte Sören. »Der muss übrigens sportlich gewesen sein. Der Garten liegt ziemlich tief, der Abstand zu den Balkons im Erdgeschoss ist beträchtlich.«
»Vielleicht war er nicht allein?«, überlegte Erik.
Sören nickte. »Räuberleiter! Damit könnte es gehen.«
»Jetzt auf zum Inselzirkus! Es wird Zeit, dass wir uns Bruce Markreiter vornehmen.«
DrauÃen trafen sie den Hausmeister, der sich im Treppenhaus an den Lampen zu schaffen machte. »Kommissar Vetterich von der Kriminaltechnischen Untersuchung wird sich bei Ihnen melden. SchlieÃen Sie ihm bitte das Apartment auf«, sagte Erik.
Der Hausmeister nickte. »Ich habe auch den Eigentümer verständigt. Der will wissen, wie lange Sie brauchen. Triebel wollte übermorgen ausziehen. Am Wochenende ist das Apartment wieder vermietet.«
»Bis dahin werden wir fertig sein«, antwortete Erik zuversichtlich und trat vors Haus. »Die frische Luft wird uns guttun«, sagte er zu Sören.
Der nickte, aber wirklich überzeugt schien er nicht zu sein. »Ist ja nicht weit«, machte er sich selbst Mut.
»Ihr Fahrrad steht an unserem Gartenzaun?«, vergewisserte sich Erik.
Wieder nickte Sören. Wenn die Schwiegermutter seines Chefs auf Sylt zu Besuch war, landete sein Fahrrad jeden Morgen am Gartenzaun der Familie Wolf, denn Mamma Carlotta lieà es sich nie nehmen, den armen Sören, der allein lebte und selten etwas Gutes in den Magen bekam, zu beköstigen. Während sie auf der Insel war, nahm Sören jede Mahlzeit bei ihr ein. Mamma Carlotta machte es glücklich, Sören sowieso, und auch Erik gefiel es, wenn alle Stühle an seinem Küchentisch besetzt waren.
Am Ende der SeestraÃe bogen sie links ab in die WesterlandstraÃe. Weit war es nun nicht mehr bis zum Süder Wung, wo das Haus der Familie Wolf stand.
»Mit den Rädern sind wir dann im Nu beim Inselzirkus«, munterte Erik seinen Assistenten auf.
»Mit dem Auto wären wir schneller«, brummte Sören. Aber er winkte schon ab, ehe Erik etwas erwidern konnte. »Okay, okay, dafür sind wir nicht nüchtern genug.«
»Hoffentlich treffen wir Markreiter an«, überlegte Erik.
»Sonst besuchen wir ihn eben in seinem Hotel.«
»Lieber wäre mir, ich könnte nicht nur mit ihm, sondern auch mit allen anderen sprechen, die vielleicht etwas wissen. Mal sehen, wie Markreiter reagiert. Davon wird es abhängen, wie weit unsere Befragung geht.«
Mamma Carlotta atmete tief durch, als sie die Kantinentür hinter sich ins Schloss zog. Madonna! In welche Gesellschaft hatte sie sich begeben? Drei Frauen, die über das intimste Körperteil eines Mannes sprachen und sich sogar darüber lustig machten! So was würde in ihrem Dorf niemand wagen. Schon deswegen nicht, weil dort nur eine Ehefrau darüber Bescheid wusste, und die schwieg natürlich über eine Unvollkommenheit ihres Mannes. Und diejenigen, die davon nichts wissen durften, schwiegen erst recht. Aber diese drei
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