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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Reißverschluss ihrer Jacke auf und strich die Locken aus dem Gesicht, die sich über ihrer Stirn kringelten, wie sie es sonst nur im Sommer taten.
    Wieder war Fietje Tiensch der einzige Gast. Er starrte schweigend in sein Jever, während Tove genauso schweigend die Bratwürste betrachtete, die auf dem Grill lagen und in den nächsten Stunden an den Mann gebracht werden mussten, ehe sie als ungenießbar gelten würden. Die kurze Hoffnung, dass es so weit war, verschwand aus seinem Gesicht, als er Mamma Carlotta erkannte, die sich noch nie auf sein kulinarisches Angebot eingelassen hatte.
    Â»Moin«, sagte er erstaunt. »Ich dachte, Sie müssten für Ihre Familie das Abendessen vorbereiten?«
    Â»Dachte ich auch«, gab Mamma Carlotta zurück und zog die Jacke aus, obwohl es in Käptens Kajüte nicht wesentlich wärmer war als draußen. Tove war der Meinung, dass es überall dort warm genug war, wo der Mensch vor dem Wind geschützt war. Das Andrehen der Heizkörper kam für ihn nur bei sibirischen Temperaturen infrage. Bei Beschwerden verwies er auf seinen Grill, der Wärme verbreitete, zumindest wenn er viel zu tun hatte. »Es gibt Wichtigeres als das Abendessen«, ergänzte sie und gab Tove einen kurzen Überblick über das, was von ihm erwartet wurde.
    Draußen fuhr gerade ein Auto vor, wenig später schlugen Türen zu, und es war anzunehmen, dass Heidi, Kristin und Beate in wenigen Augenblicken in der Tür erscheinen würden. Also sprach Mamma Carlotta noch schneller als sonst und flocht überall da, wo ihr die deutsche Vokabel nicht augenblicklich einfallen wollte, eine italienische ein, damit es flotter ging. Als sie fertig war, sah Tove nicht schlauer aus als vorher, und auch Fietjes einzige Reaktion war ein offener Mund und ein staunender Blick.
    Als Mamma Carlotta die Schritte vor der Tür hörte, fasste sie noch einmal hastig zusammen: »Freundlich sein! Capito? Sonst wird das nichts mit dem guten Geschäft! Una bettola bedeutet nicht, dass der Wirt seine Gäste schlecht behandelt. Capito?«
    Tove begriff nun und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, die wohl ein Lächeln sein sollte, als Heidi, Beate und Kristin in Käptens Kajüte einfielen.
    Fietje, der gerade sein Glas leeren wollte, verschluckte sich, als Beate rief: »Supi! Das ist ja wirklich gnadenlos hässlich hier!«
    Toves Gesicht fiel in den Ausdruck zurück, mit dem er seit Jahr und Tag seine Gäste empfing, als Heidi lachend einfiel: »Hier klebt man ja an den Tischen fest, so fettig ist hier alles!«
    Nun sah Tove sogar so aus, als wäre ihm das gute Geschäft mit der Fernsehproduktion total egal, aber als er merkte, dass die Äußerungen der Damen nicht zu lästigen Beschwerden führten, sondern lediglich für Erheiterung sorgten, beließ er es bei der Frage: »Was darf’s sein?«
    Die vier Frauen ließen sich an dem Tisch nieder, der am weitesten von der Tür und der Theke entfernt war, und beschlossen, den Wein zu probieren, den Mamma Carlotta hier mit Vorliebe zu sich nahm.
    So prosteten sie sich ein paar Minuten später mit dem Rotwein aus Montepulciano zu, und Mamma Carlotta dachte nur ganz kurz an die Familie, stellte sich nur ganz kurz die Frage, ob jemand im Hause Wolf auf sie wartete, und redete sich dafür umso länger ein, dass das, was Erik und den Kindern recht war, ihr billig sein konnte. Es gelang ihr sogar, das Thema zur Diskussion zu stellen, obwohl eigentlich alle so schnell wie möglich erfahren wollten, was Heidi in ihrer Tüte mit sich führte. Aber die Empörung der drei war so groß, dass Heidis Mitbringsel in Vergessenheit geriet.
    Â»Dein Schwiegersohn sucht dich, wenn du nicht pünktlich zum Essen zu Hause bist? Unerhört!«, rief Beate entrüstet. »Du bist kein Kind mehr, Carlotta!«
    Und Heidi fand sogar, dass es eine pädagogische Glanzleistung sei, den Kindern vor Augen zu führen, wie quälend es war, auf jemanden warten und sich immer wieder die Frage stellen zu müssen, ob ihm etwas zugestoßen sei. »Nun werden sie merken, wie das ist!«
    Â»Und in Zukunft entweder rechtzeitig zum Essen zu Hause sein oder sich abmelden«, bekräftigte Kristin.
    Â»Du bist eine moderne, emanzipierte Frau!«, ergänzte Heidi. »Du musst nicht am Herd stehen und darauf warten, dass ein Familienmitglied sich gnädig dazu herablässt, dein

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