Inside Occupy
Welt sollte irgendjemand, der nicht der amerikanischen Gerichtsbarkeit untersteht, damit einverstanden sein wollen?
Die Antwort ist natürlich, dass diese »Jemande« in vieler Hinsicht eben doch amerikanischer Gerichtsbarkeit unterstehen. Hier betreten wir ein Territorium, das für die öffentliche Diskussion effektiv tabu ist. Am einfachsten lässt sich das veranschaulichen, wenn wir uns folgende Fakten ansehen:
Die USA verwenden mehr auf ihr Militär als alle anderen Länder der Welt zusammengenommen. Sie haben mindestens zweieinhalb Millionen Soldaten unter Waffen stehen und unterhalten 737 Militärstützpunkte in Übersee, von Paraguay bis Tadschikistan, und im Gegensatz zu irgendeiner anderen Militärmacht in der Geschichte behalten sie sich die Macht vor, ihr tödliches Potenzial an jeden Punkt der Welt zu dirigieren.
Der US-Dollar ist die Währung des Welthandels und hat seit den 70er Jahren das Gold als Reservewährung des globalen Bankensystems ersetzt.
Ebenfalls seit den 70er Jahren haben die USA ein immer noch von Tag zu Tag wachsendes »Handelsdefizit« auflaufen lassen, das heißt, der Wert der Importe übersteigt den der Exporte bei Weitem.
Es ist kaum vorstellbar, dass diese Fakten so gar nichts miteinander zu tun haben könnten. Vor allem, wenn man bedenkt, was sich seit Jahrhundertenbewahrheitet hat: Die Welthandelswährung ist seit jeher die Währung der dominanten Militärmacht, und der Zustrom an Reichtum aus dem Ausland war bei solchen Militärmächten immer größer als der, der aus dem Land abfloss. Trotzdem, in dem Augenblick, in dem man zu spe kulieren beginnt, wie die tatsächlichen Verbindungen aussehen zwischen der amerikanischen Militärmacht, dem Bankensystem und dem Welthandel, dann läuft man – wenigstens in respektablen Kreisen – Gefahr, als paranoider Spinner abgetan zu werden.
Aber wie funktioniert das denn nun?
Es ist ein System von endloser Komplexität, aber ich will versuchen, wenigstens ein paar Koordinaten anzugeben. Trotz der schrumpfenden Exporterlöse schaffen es die USA, billige Konsumgüter ins Land fließen zu lassen, und zwar vermöge der »Seigniorage« (Münzgewinn, Schlagschatz), wie die Ökonomen das nennen. Dieser mit Absicht undurchsichtige Begriff bezeichnet eigentlich den »wirtschaftlichen Vorteil, der einem daraus erwächst, bestimmen zu können, was Geld ist«. Zum besseren Verständnis dessen, was es damit auf sich hat, müssen wir uns vergegenwärtigen, dass der größte Teil des öffentlichen Diskurses über das Defizit die Situation genau falsch herum sieht. Er basiert fast ausnahms los auf der stillschweigenden Annahme, Geld sei – wie Erdöl – eine Art präexistenter Substanz, von der es nur eine endliche Menge gibt und die der Staat entweder durch Steuern einnehmen oder sich von jemandem leihen muss. In Wirklichkeit schöpft der Staat – mittels der Notenbank – dadurch Geld, dass er es sich leiht. Weit davon entfernt, eine Belastung für die amerikanische Wirtschaft zu sein, ist das Staatsdefizit – das größtenteils aus amerikanischen Kriegsschulden besteht 16 – der eigentliche Motor des Systems, da der Dollar in Wirklichkeit im Wesentlichen zirkulierende US-Kriegsschuld ist und US-Auslandsschulden in Form von Schatzobligationen heute die Basis des internationalen Zentralbanksystems sind.
In einigen Fällen ist dieser Prozess recht eindeutig. So zum Beispiel, als während des Kalten Kriegs Westdeutschland US-Schatzobligationen aufkaufte (und diese mit Verlust hielt), um so effektiv die US-Basen auf deutschem Boden zu finanzieren; oder wenn Japan, Südkorea und die Golfstaaten das heute tun. Wir haben es in solchen Fällen mit etwas zu tun, was einem imperialen Tributsystem gleicht – was es letztlich auch ist, aber da die USA sich nicht gern als »Imperium« bezeichnet sehen, bestehen sie darauf, diese Tributarrangements als »Anleihen« zu kaschieren. In anderen Fällen sind die Arrangements subtiler, so etwa bei der Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und China. Pekings massive Ankäufe von US-Schatzanleihen seit den Neunzigern scheinen Teil eines stillschweigenden Übereinkommens zu sein, bei dem China die USAmit ungeheuren Mengen unterpreisiger Konsumgüter überschwemmt, und das auf eine Rechnung, von der die Chinesen genau wissen, dass die Amerikaner sie nicht wirklich bezahlen werden, während diese ihrerseits sich bereit erklärt haben, Chinas systematische Verstöße gegen das Immaterialgüterrecht (hierunter
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