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Inside Occupy

Inside Occupy

Titel: Inside Occupy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Graeber
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Street gewann gar noch größeren Einfluss auf den politischen Prozess; das Etikett »progressiv« wurde für die meisten Wähler zum Stigma, weil man es nun mit Positionen identifizierte, die ihrem Wesen nach konservativ und konzernfreundlich waren. Und da die Republikaner sich als die einzige Partei erwiesen, die überhaupt radikale Positionen – egal welcher Art – einzunehmen bereit war, rückte das politische Zentrum noch weiter nach rechts. Es war nicht mehr zu übersehen: Wenn progressive Veränderungen in einem Jahr wie 2008 nicht über freie Wahlen zu bewerkstelligen sind, dann sind sie eben überhaupt nicht zu bewerkstelligen. Und das ist genau der Schluss, den man in weiten Teilen der amerikanischen Jugend gezogen zu haben scheint.
    Die Zahlen sprechen für sich. War die Wahlbeteiligung unter der Jugend 2008 dreimal so hoch wie vier Jahre zuvor, so fiel sie zwei Jahre nach Obamas Wahl bereits wieder um 60 Prozent. Die jungen Wähler wechselten noch nicht mal die Seiten; die, die zur Wahl gingen, wählten die Demokraten im selben Maß wie zuvor. Nein, die meisten hatten einfach das Vertrauen in den Prozess verloren, sie blieben zu Hause, was dazu führte, dass die Tea Party, deren Anhänger größtenteils mittleren Alters sind, die Wahlen beherrschten und damit auch fortan Obamas Regierung, die daraufhin willfährig noch weiter nach rechts rückte.
    So hatte denn sowohl in ökonomischer als auch in staatsbürgerlicher Hinsicht eine Generation junger Menschen jeden Grund, sich betrogen zu fühlen: Sie hatten sich an die Regeln gehalten, sie hatten getan, was man von ihnen verlangte, und bekommen hatten sie nichts. Weniger noch als nichts. Obama hatte sie der Hoffnung beraubt – der Hoffnung, durch institutionelle Mittel zu Lebzeiten so etwas wie eine sinnvolle Veränderung bewirken zu können. Wenn sie ihre tatsächlichen Probleme angesprochen sehen wollten, wenn sie irgendeine Art von demokratischer Veränderung in Amerika wollten, dann musste das über andere Mittel und Wege geschehen.
    Private Weltsicht –öffentliche Meinung
    5. Frage:
Aber warum gleich eine so explizit revolutionäre Bewegung?

    Mit das Bemerkenswerteste an OWS ist, dass es sich nicht nur um eine Volksbewegung handelt, ja noch nicht einmal nur um eine radikale Bewegung, sondern um eine revolutionäre. Anarchisten und revolutionäre Sozialisten haben sie losgetreten, und in den ersten Versammlungen, in denen die wesentlichen Themen und Prinzipien erarbeitet wurden, waren die revolutionären Sozialisten sogar die konservativere Fraktion. Verbündete aus dem Mainstream versuchen diesen Hintergrund ständig herunterzuspielen. Und Kommentatoren vom rechten Flügel ereifern sich immer wieder: Wenn nur der Mann auf der Straße kapieren würde, wer die Urheber von OWS seien, er würde sich angewidert abwenden. Wir haben jedoch jeden Grund zu einer doppelten Annahme. Erstens glauben wir, dass der durchschnittliche Amerikaner, auf beiden Seiten des politischen Spektrums, weit bereitwilliger radikale Lösungen ins Auge fassen würde, als seine Medien und offiziellen Meinungsmacher zugeben wollen. Und zweitens sind wir davon überzeugt, dass es gerade die besonders revolutionären Aspekte von OWS sind – die Weigerung, die Legitimität der bestehenden politischen Einrichtungen anzuerkennen, die Bereitschaft, die fundamentalen Prämissen unseres Wirtschaftssystems infrage zu stellen –, die den Kern des Appeals dieser Bewegung ausmachen.
    Was ganz offensichtlich erhebliche Fragen hinsichtlich der Mainstreammedien und -Meinungsmacher aufwirft, Fragen danach, was sie wirklich sind und wozu. Was in den USA als respektable Meinung zur Debatte gestellt wird, stammt größtenteils von Journalisten, insbesondere von Fernsehkommentatoren und Zeitungskolumnisten, die Einstellungen und Befindlichkeiten der amerikanischen Öffentlichkeit kommentieren. Sie liegen mit ihren Äußerungen oft so fantastisch daneben, dass sich einem die Frage aufdrängt, was da wirklich vor sich geht.
    Ein Beispiel, das mir besonders im Gedächtnis geblieben ist: Nachdem die Bush/Gore-Wahl im Jahr 2000 vor Gericht gelandet war, herrschte in der ersten Riege der Kommentatoren
subito
der überwältigende Konsens, »das amerikanische Volk« wolle auf keinen Fall einen langwierigen Prozess, es wolle die Angelegenheit vielmehr so rasch wie möglich gelöst sehen, egal wie. Kaum tauchten die ersten Meinungsumfragen auf, stellte sich heraus, dass das amerikanische Volk genau das

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