Inside Occupy
gegenwärtigen Jargon heißen): Medien, Moderation, Unterbringung, Buchführung, direkte Aktion. Einige sind nicht permanent und themenbedingt; sie befassen sich etwa mit alternativem Banking, Ökologie oder Transsexuellenfragen. Wieder andere sind um spezifische Aktio nen oder Kampagnen organisiert und können sowohl permanenter als auch temporärer Art sein: Occupy Foreclosed Homes (Aktionsarbeitsgruppe Zwangsvollstreckte Häuser) oder Oakland Solidarity March (Aktionsarbeitsgruppe Solidaritätsdemo Oakland) wären je ein Beispiel.
Arbeitsgruppen werden von der Vollversammlung (VV) oder einer anderen größeren Gruppe zur Erfüllung einer konkreten Aufgabe oder zur Erledigung einer bestimmten Arbeit eingerichtet wie zum Beispiel für eine Recherche oder eine Schulung. Manchmal entsteht eine, weil ein allgemein gesehener Bedarf besteht (»Ist jemand bereit, die Verantwortung für Sanitärfragen im Camp zu übernehmen?«), manchmal aber auch deshalb, weil eine Gruppe von Leuten eine Idee hat (»Ein paar von uns wollen eine Gruppe aufziehen, die sich Gedanken darüber macht, wie Sanitärsysteme in einer egalitären Gesellschaft aussehen würden«). Die New Yorker VV operiert nach dem Prinzip, dass jeder, der eine Arbeitsgruppe aufziehen möchte, für den Anfang wenigstens fünf Mitglieder braucht und dann mit seinem Wunsch vorstellig wird. Es wurden auch schon Wünsche geblockt.
Natürlich steht es jedem frei, sich in einem Raum zu treffen und dort zu diskutieren, was immer er will. Wenn die VV eine Arbeitsgruppe für gut befindet, dann heißt das nichts weiter, als dass die VV sie ermächtigt, in ihrem Namen zu handeln. Es handelt sich im Grunde um eine Art des Delegierens. Es schafft auf keinen Fall vertikale Hierarchien, da Arbeitsgruppen jedem offenstehen. Wenn eine VV sich während eines Meetings in Arbeitsgruppen aufteilt, dann sorgt man damit im Grunde nur dafür, dass niemand zu viel Einfluss gewinnt, da logischerweise schon physisch niemand an mehr als einer Gruppe gleichzeitig teilnehmen kann. Im Prinzip sollten sogar die Sprecher rotieren – die freiwilligen Kontaktpersonen, über die man Kontakt zur betreffenden Gruppe erreichen kann. Im Sprecherrat, an dem jeweils nur ein Sprecher einer jeden Arbeitsgruppe an der formalen Diskussion teilnehmen kann (andere Mitglieder sind herzlich eingeladen mitzukommen und können dem Sprecher etwas ins Ohr flüstern oder sich diskret mit ihm beraten), sollte keiner zweimal hin tereinander für dieselbe Gruppe als Obmann/-frau auftreten.
Ist die Arbeit erst mal aufgeteilt oder eine bestehende Gruppe ermächtigt, einem Projekt nachzugehen, stellt sich unweigerlich die Frage, wie oft man sich zur Billigung rückmelden soll. Hier sollte man als Faustregel wirklich sagen: nur wenn es offensichtlich ist, dass alles andere falsch wäre. Wenn irgendein Zweifel an der Notwendigkeit einer Rückmeldung besteht, lasst es einfach bleiben; vermutlich besteht gar kein Grund dazu.
Direkte Aktion, ziviler Ungehorsam und Camping
Ursprünglich inspiriert wurde OWS nicht nur durch die Tradition direkter Demokratie, sondern auch die der direkten Aktion. Beides gehört, vom anarchistischen Standpunkt aus, unmittelbar zusammen – oder sollte es wenigstens. Dahinter steht der Gedanke, dass die Form unserer Handlungen selbst sich als Modell anbieten oder wenigstens einen Blick darauf gestatten sollte, wie freie Menschen sich organisieren und wie demzufolge eine freie Gesellschaft aussehen könnte.
Die ursprüngliche Konzeption von OWS reflektierte diese anarchis tische Befindlichkeit in mehrfacher Hinsicht. Am offensichtlichsten war die ganz bewusste Weigerung, Forderungen zu stellen, eine Weigerung, die Legitimität der existierenden politischen Ordnung anzuerkennen, in der solche Forderungen zu stellen wären. Anarchisten definieren den Unterschied zwischen Protest und direkter Aktion oft folgendermaßen: Protest, wie militant auch immer, ist eine Aufforderung an die Obrigkeit, ihr Verhalten zu ändern. Direkte Aktion hingegen tut so, als sei die bestehende Machtstruktur gar nicht da – ob es nun um den Bau eines Gemeindebrunnens geht, um widerrechtliche Salzgewinnung (denken Sie an Gandhis berühmten Salzmarsch 1930 als Aktion gegen das britische Salzmonopol!) oder den Versuch, ein Meeting lahmzulegen oder eine Fabrik. Direkte Aktion besteht in letzter Konsequenz trotzig darauf, so zu handeln, als wäre man bereits frei.
Die Weigerung, Genehmigungen einzuholen, entsprang
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