Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
Mara. Er bewies sich, dass er in der Lage war weiterzumachen, aber die ganze Last seiner Vergangenheit trug er mit sich. Er war immer sehr ernsthaft gewesen, ein Mensch mit intensiven Gefühlen, aber nach dem Schock durch Alisons Tod kam noch eine dunklere Dimension hinzu.«
»Das ergibt doch keinen Sinn«, sagte Mara. »Wenn das alles wahr ist, warum hat er dann so lange gewartet, bevor er tat, was Sie behaupten?«
»Eigentlich aus zwei Gründen. Erstens war er bis vor einem Jahr noch nicht überzeugt. Um diese Zeit hat er sein Testament gemacht. Liz erzählte, er habe vor achtzehn Monaten in einem Magazin einen Artikel über einen ähnlichen Fall gelesen. Eine Frau zeigte nach einem relativ leichten Schlag auf den Kopf die gleichen Symptome wie Alison. Später verunglückte sie dann mit ihrem Wagen. Gerade nachdem er das gelesen hatte und begann, über die Zusammenhänge nachzudenken, lief Liz aus der Klinik davon und kam hierher. Er sprach mit ihr darüber, und sie stimmte zu, dass es eine nicht von der Hand zu weisende Erklärung war. Schließlich traten Alisons Anfälle erst kurz nach der Demo auf. Liz war keine besonders gute Krankenschwester gewesen, auf jeden Fall nicht gut genug, um Alisons Symptome sofort diagnostizieren zu können, aber mit dem menschlichen Körper kannte sie sich ein wenig aus, und sobald ihr Seth den Gedanken in den Kopf gesetzt hatte, half sie mit, ihn vollständig davon zu überzeugen.«
»Das war, als sie die ganze Zeit aufblieben und miteinander gesprochen haben«, sagte Mara. »Haben sie darüber gesprochen?«
»Ja, hauptsächlich. Als Nächstes fing Seth an, sich eingehender mit dem Thema auseinander zu setzen. Ich habe zwei Bücher über das menschliche Gehirn in seiner Werkstatt entdeckt, hatte aber in dem Moment noch keine Ahnung, welche Bedeutung sie besaßen. Eines hieß Die Spitze des Eisberges. Seth hat sie einfach dort stehen gelassen. Er hat eigentlich nie versucht, seine Spuren zu verwischen. Und dann stand Constable Gills Dienstnummer in seinem Notizbuch. Liz hat sie ihm aufgeschrieben, als sie das letzte Mal hier war. Nachdem er gehört hatte, dass mit Gill bei der Demo zu rechnen war, muss er sie im Zorn herausgerissen haben.«
»Sie sagten, es gäbe zwei Gründe dafür, dass er nicht gleich gehandelt hat«, sagte Mara. »Was ist der andere?«
»Seths Charakter, kann man sagen. Sie wissen, dass er normalerweise weder jähzornig noch ungeduldig war. Ganz im Gegenteil, bei seinem Handwerk benötigte er eine Menge Geduld. Er war auch nicht der Typ, der losprescht und sofortige Rache sucht. Und denken Sie daran, über seinen Schmerz und sein Schuldgefühl ist er eigentlich nie hinweggekommen. Ich kann mir vorstellen, dass er seinen Zorn genauso unterdrückt hat. Er keimte unter der Oberfläche weiter und wurde schließlich zu Hass. Hass auf einen Mann, der ihm Frau und Kind nahm. Und es war nicht nur ein Mann, es war ein Polizist, ein Feind der Freiheit.« Er warf einen kurzen Blick auf Rick, der genau zuhörte und an einer Strähne seines Bartes zog.
»Aber was sollte er tun? Das alles war vor langer Zeit passiert, außerdem gab es keine Beweise, selbst wenn er davon ausgegangen wäre, dass die Polizei seine Geschichte angehört hätte. Meiner Meinung nach dachte er gar nicht an Rache, doch als Osmond an diesem Nachmittag die Nummer erwähnte, muss sich etwas geändert haben. Die ganze Sache hatte ihn so lange zerfressen, er fühlte sich völlig ohnmächtig.
In der Erwartung, dass es Ärger geben würde, schnappte er sich das Messer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich daran glaubte, er würde Gill töten, aber er wollte vorbereitet sein. Als er das Messer später fallen ließ und es weggekickt wurde, muss er überrascht gewesen sein, dass er kein Blut abbekommen hatte. Gill hatte hauptsächlich innere Blutungen. Also blieb er ruhig. Bei der Demo waren über hundert Leute. Für Seth schien das zu bedeuten, dass wir nicht die geringste Chance hatten, den Mörder zu finden. Außerdem haben wir uns auf die politischen Aktivisten versteift, und zu denen gehörte er ja nun nicht gerade.« Banks hielt inne und trank ein paar Schluck Tee. »Wenn Paul nicht das Messer genommen und weggeworfen hätte, hätten wir vielleicht nie erfahren, woher es stammt. Keiner von Ihnen hätte uns jemals erzählt, dass es verschwunden war, so viel ist sicher. Liz hatte Seth außerdem Gill beschrieben: Ein großer Mann mit einem
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