Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
selbst die Schuld, vielleicht weil wir uns, wenn auch nur in einem flüchtigen Augenblick, schon einmal den Tod dieses Menschen gewünscht haben. Außerdem machen wir uns Vorwürfe: Wenn alles nur ein bisschen anders verlaufen wäre, wenn zum Beispiel Seth anstatt Alison an diesem Tag zum Einkaufen gefahren wäre, dann hätte die Tragödie nie passieren können. Liz war die Einzige, die wirklich wusste, was vorgefallen war, und das nur, weil sie eine enge Freundin von Alison war. Laut Aussage der Polizei in Hebden Bridge war Alison kontaktfreudiger, temperamentvoller und gesprächiger als Seth. Und weil er der >starke, stille Typ< war, dachte jeder, dass er sich wirklich im Griff hatte, ruhig und beherrscht. Doch in seinem Inneren quälte er sich.«
»Ich verstehe es trotzdem nicht«, sagte Mara. »Was hat das alles mit dem getöteten Polizisten zu tun?«
Banks blies sachte in den Becher und trank einen Schluck Tee. Er schmeckte nach Apfel und Zimt. »Liz Dale legte gegen Constable Gills brutales Vorgehen bei der Demo, zu der sie mit Alison Cotton gegangen war, eine Beschwerde ein. Seth selbst war nicht dabei gewesen. Während der Demo, so erzählte mir Liz, wurde Alison von Gills Schlagstock an der Schläfe gestreift. Das war an diesem Nachmittag nur einer von vielen solcher Zwischenfälle. Alison wollte kein Aufhebens machen und die Aufmerksamkeit nicht durch eine Beschwerde auf sich ziehen, doch Liz war zu der Zeit wesentlich stärker politisch engagiert. Ihre Beschwerde richtete sich gegen Gills Verhalten im Allgemeinen. Als sie keine Reaktion bekam, verfolgte sie die Sache aber nicht weiter. Das Heroin ließ sie die Politik vergessen, sie verlor das Interesse und nahm an, genau wie Sie, dass die Polizei jemandem wie ihr sowieso nicht zuhören würde.«
»Kann man es ihr verdenken?«, sagte Rick. »Offensichtlich hatte sie Recht, oder? Hat die Polizei schon jemals ...«
»Halten Sie den Mund«, sagte Banks. Er sprach ruhig, aber energisch genug, um Rick zum Schweigen zu bringen.
»Während der nächsten Monate«, fuhr er fort, »begann Alison, ein paar ungewöhnliche Symptome zu zeigen. Sie beklagte häufige Kopfschmerzen, sie wurde vergesslich und sie litt an Schwindelanfällen. Kurz darauf wurde sie schwanger, sodass sie ihre anderen Probleme für eine Weile verdrängte.
Einmal allerdings jagte sie Seth und Liz wirklich Angst ein. Sie begann, wie ein vierzehnjähriges Mädchen zu sprechen. In dem Alter war sie mit ihrer Familie in Zypern im Urlaub gewesen, wo sie bei einem Armeefreund ihres Vaters gewohnt hatten, der dort stationiert gewesen war. Und sie fing plötzlich an, in allen Einzelheiten einen Spaziergang am Mittelmeer in Famagusta an einem warmen Sommerabend zu beschreiben. Anscheinend klang selbst ihre Stimme wie die einer Vierzehnjährigen. Schließlich riss sie sich wieder zusammen und konnte sich an nichts erinnern. Als die anderen ihr erzählten, was sie da gerade geredet hatte, lachte sie nur.
Doch Seth reichte es. Er hatte Angst, dass sie einen Gehirntumor oder so etwas haben könnte, und bestand deshalb darauf, dass sie zum Arzt ging. Liz zufolge hatte der Arzt nicht viel zu sagen, außer dass eine Schwangerschaft mit der Psyche und dem Körper einer Frau seltsame Dinge anstellen kann. Alison erzählte ihm, dass die Symptome vor der Schwangerschaft begannen, aber er äußerte sich nur dahingehend, dass Menschen komische Einbildungen haben, und das war es dann.
Ein paar Wochen später ging sie eines Tages im Laden um die Ecke einkaufen und kam nicht mehr nach Hause. Es war nur ein Weg von zwei Minuten, aber sie fand nicht mehr zurück. Seth und Liz fanden sie eine Stunde später durch die Straßen irrend. Auf jeden Fall wurde ihr Zustand nicht besser, sodass sie erneut zum Arzt ging. Zuerst versuchte er wieder alles auf die Schwangerschaft zu schieben, doch Alison betonte die fürchterlichen Kopfschmerzen, die Erinnerungslücken und die zeitweilige geistige Abwesenheit. Er sagte, sie solle sich keine Sorgen machen, vereinbarte aber vorsichtshalber eine Ultraschall-Untersuchung. Tja, Sie kennen die Krankenkassen. Als sie endlich einen Termin bekam, war sie bereits tot. Und später konnte man wegen des Unfalls keine anständige Autopsie mehr machen, weil ihr Kopf dabei zerquetscht worden war.
Seth brach zusammen, machte einen Selbstmordversuch, rappelte sich wieder auf und kaufte die Farm, wo er eine Zeit lang zurückgezogen lebte, bis Sie hinzukamen,
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