Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
erheblich. Der linksgerichteten Presse zufolge hatte die Polizei brutal und ohne Vorankündigung eine friedliche Menge angegriffen. Die konservativen Blätter dagegen behaupteten, dass eine Meute wilder Demonstranten die Polizei durch das Werfen von Flaschen und Steinen zu einem Gegenschlag provoziert hätte. In den gemäßigteren Zeitungen schien niemand genau zu wissen, was passiert war, die ganze Angelegenheit wurde jedoch als äußerst unglücklich und bedauerlich bezeichnet.
Um halb neun rief Superintendent Gristhorpe, der fast die ganze Nacht damit beschäftigt gewesen war, die Demonstranten zu verhören und die Spurensuche zu beaufsichtigen, Banks zu sich. Banks drückte seine Zigarette aus - der Superintendent billigte das Rauchen nicht - und marschierte in das von Büchern gesäumte Büro. Der Lampenschirm auf Gristhorpes riesigem Teakholzschreibtisch warf einen warmen Schimmer auf den dicken Stapel mit Aussagen.
»Ich habe mit dem stellvertretenden Polizeipräsidenten gesprochen«, sagte Gristhorpe. »Er hat mit London telefoniert. Sie schicken uns noch heute einen Mann her. Ich soll die Voruntersuchung der Demonstration für die Beschwerdebehörde der Polizei abwickeln.« Er rieb sich die Augen. »Natürlich wird jemand daherkommen und mich der Voreingenommenheit anklagen und den ganzen Bericht in den Müll schmeißen, aber man will, dass es so aussieht, als würde schnell gehandelt werden.«
»Und der Mann, den sie schicken«, wollte Banks wissen, »was soll der machen?«
»Die Mordermittlung leiten. Du wirst mit ihm arbeiten, genauso Hatchley und Richmond.«
»Weißt du, wer der Typ ist?«
Gristhorpe suchte einen Zettel auf seinem Schreibtisch. »Ja ... wollen wir mal schauen ... Ein Superintendent Burgess. Er gehört zu einem Dezernat, das sich mit politisch heiklen Verbrechen beschäftigt. Keine richtige Sondereinheit, aber auch keine ganze normale Kriminalpolizei. Ich bin mir nicht mal sicher, ob wir wissen dürfen, welche Funktion er hat. Wahrscheinlich irgend so eine Art politischer Vermittler.«
»Superintendent Richard Burgess?«, fragte Banks.
»Ja. Warum? Kennst du ihn?«
»Ach du liebe Scheiße.«
»Alan, du wirst ja ganz blass. Was ist los?«
»Ich kenne ihn«, sagte Banks. »Nicht gut, aber ich habe in London ein paar Mal mit ihm zu tun gehabt. Er ist ungefähr in meinem Alter, aber auf der Karriereleiter ist er immer eine Sprosse vor mir gewesen.«
»Ehrgeizig?«
»Kann man wohl sagen. Aber sein Ehrgeiz macht mir gar nicht so zu schaffen«, fuhr Banks fort. »Er ist etwas rechts von ... Egal, um was es geht, Burgess ist immer rechts davon.«
»Ist er denn gut?«
»Er erzielt Resultate.«
»Das ist doch genau das, was wir brauchen, oder?«
»Wahrscheinlich. Aber in der Zusammenarbeit ist er ein absolutes Arschloch.«
»Inwiefern?«
»Er lässt sich nicht in die Karten schauen. Er lässt die rechte Hand nicht wissen, was die linke tut. Er nimmt immer den kürzesten Weg. Egal, auf wessen Kosten das geht.«
»Hört sich an, als hätte er nicht mal eine linke Hand«, sagte Gristhorpe.
Banks lächelte. »Wir nannten ihn immer Dirty Dick Burgess.«
»Warum?«
»Das wirst du schon merken. Mit seinen Sexualpraktiken hatte es auf jeden Fall nichts zu tun. Obwohl er den Ruf hatte, auch in der Sache nichts anbrennen zu lassen.«
»Wie auch immer«, sagte Gristhorpe, »er soll so gegen Mittag hier ankommen. Er hat den frühen Intercity nach York genommen. Damit er nicht zu lange auf einen Anschlusszug warten muss, habe ich Craig losgeschickt, um ihn in York vom Bahnhof abzuholen.«
»Da wird sich Craig aber freuen.«
Gristhorpe runzelte die Stirn. Banks bemerkte seine tiefen Augenringe. »Mach das Beste draus, Alan. Wenn Superintendent Burgess aus der Reihe tanzt, dann kannst du dich an mich wenden. Noch haben wir hier das Sagen. Übrigens, bevor sie abgereist ist, hat Honoria Winstantley angerufen - das heißt, einer ihrer Begleiter. Er sagte, dass alles in Ordnung sei, entschuldigte sich für seine Schroffheit letzte Nacht und dankte dir dafür, alles so beherzt geregelt zu haben.«
»Es geschehen noch Zeichen und Wunder.«
»Ich habe Burgess im Castle Hotel in der York Road einquartiert. Das ist nicht so schick und teuer wie das Riverview, aber Burgess ist ja schließlich auch kein Parlamentsabgeordneter, oder?«
Banks nickte. »Wie sieht es mit einem Büro
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