Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
ihn für schuldig halten und ihn aus dem Weg haben wollen.«
»Aber wir müssen ihn ansprechen, um ihn zu fragen, ob er für eine Weile weggehen will, bis die Sache sich beruhigt hat.«
»Dann lassen wir es eben. Wenn er bleiben will, dann bleibt er, und wir halten zu ihm, wie auch immer. Wenn er geht, dann ist es seine Entscheidung. Wir drängen ihn nicht hinaus. Er ist nicht dumm, Seth, ich bin mir sicher, dass er weiß, welche Schikane von der Polizei auf ihn zukommt. Das Letzte, was er braucht, ist das Gefühl, dass auch wir gegen ihn sind.«
»Okay.« Seth nickte und stand auf. »Belassen wir es dabei. Ich muss jetzt an der alten Kommode weiterarbeiten. Ist mit dir alles in Ordnung?«
Mara sah zu ihm auf und lächelte. »Ich werde es schon schaffen.«
»Gut.« Er beugte sich hinab und küsste sie, dann ging er hinaus, zurück in seine Werkstatt.
Aber Mara ging es nicht gut. Allein gelassen, begann sie sich alle möglichen furchtbaren Dinge vorzustellen. Am Anfang schien ihr die Welt von Maggie's Farm die Beständigkeit, Liebe und Freiheit gegeben zu haben, nach der sie immer gesucht hatte, doch jetzt war all dies zusammengebrochen. Das Gefühl ähnelte dem, das sie ihrer Erinnerung nach während eines leichten Erdbebens in Kalifornien hatte, als sie vor einer Ewigkeit mit Matthew durch die Staaten gereist war. Der Boden des Zimmers, die Fundamente des Hauses und die massive Erde, auf der es stand, waren plötzlich nicht stabiler als Wasser erschienen. Eine kleine Welle im Boden hatte sich flüchtig unter ihr vorbeigekräuselt, und das, was sie immer für beständig gehalten hatte, stellte sich als zerbrechlich, unzuverlässig und kurzlebig heraus. Das Beben hatte nur zehn Sekunden gedauert und war nicht über fünf auf der Richterskala registriert worden, aber der Eindruck war ihr seitdem geblieben. Nun kam er stärker denn je zurück.
Auf dem Kaminsims, inmitten des Durcheinanders von Muscheln, Kieselsteinen, Fossilien und Federn, konnte sie an der Stelle, wo das Messer gelegen hatte, die schwachen Staubumrisse erkennen. Als sie die Oberfläche sauber wischte, dankte sie ihrem Glücksengel, dass die Polizei nach greifbaren Dingen gesucht hatte und nicht nach abwesenden.
* V
Banks fuhr die Foreshore Road und die Sandside am alten Hafen entlang. Die Kirmesbuden und Andenkenläden waren alle geschlossen. In der Saison scharten sich Massen von Urlaubern um die Ständer mit frechen Postkarten, Teenager standen Schlange vor der Geisterbahn und Kinder zogen ihre Eltern zu den Buden, in denen Zuckerwatte und Bonbons verkauft wurden. Doch jetzt war die Promenade verlassen. Selbst an der Seeseite gab es keine Stände, die Herzmuscheln, Strandschnecken und gekochte Garnelen anboten. Dichte, hohe Wolken waren aufgezogen, und das Meer klatschte wie flüssiges Metall gegen die mit Algen verkrusteten Hafenmauern. Fischerboote schaukelten in ihrer Verankerung, und Stapel von Hummerkörben schwankten auf dem Kai. Hoch oben auf dem Kap thronte die Burgruine über der Szenerie und sah aus wie einem schwarz-weißen Horrorfilm entsprungen.
Banks ließ Richmond vor einem Pub nahe des West Piers aussteigen, fuhr den Marine Drive weiter und parkte genau gegenüber der geschlossenen Kirmes. Er knöpfte seinen Regenmantel zu und ging die Straße entlang, die zwischen den hohen Klippen und dem Meer um die Landspitze herumführte. An den Klippen warnten Schilder vor herunterstürzenden Felsen. Wellen schlugen gegen die Ufermauer und warfen Gischt auf die Straße.
Tony Grant war bereits da, er lehnte auf dem Geländer und starrte hinaus auf den Punkt, wo Meer und Himmel zu einem gleichförmigen Grau verschmolzen. Er trug einen Dufflecoat der Marine, die Kapuze war heruntergeklappt, sodass sein babyfeines Haar im Wind wehte. Ein einsamer Öltanker bewegte sich langsam am Horizont entlang.
»So ist es mir am liebsten«, sagte er, als Banks sich neben ihm stellte. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ein bisschen nass zu werden.«
Sie schauten beide raus auf das gekräuselte Wasser. Eine salzige Gischt erfüllte die Luft, und Banks fühlte, wie der Sauerstoff seine Lungen erfrischte, als er tief einatmete. Er zitterte und fragte: »Was wollen Sie mir erzählen?«
Grant zögerte. »Hören Sie, Sir«, sagte er, nachdem er eine halbe Minute dem Öltanker hinterhergestarrt hatte, »ich möchte nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich bin kein Spitzel oder so was. Ich bin noch
Weitere Kostenlose Bücher