Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
fragen, ob sie in ihren Mund pinkeln können? Auf der einen Seite hat man den Zuhälter, auf der anderen die Perversen. Ohne Erbarmen.«
»Also hat Caroline ihre lesbische Veranlagung unter Ihrer Führung entdeckt?«
Ruth schnippte Asche in den Aschenbecher. »So könnte man es ausdrücken, ja. Ich habe sie verführt. Es hat nicht lange gedauert, bis sie herausfand, dass ihr Sex mit Männern zuwider war und Angst machte. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, die Tabus zu überwinden und zu lernen, wie man auf den Körper einer Frau eingeht, auf die Art, wie eine Frau Liebe macht. Und ich spreche jetzt nicht von Dildos oder Vibratoren.«
»Warum haben Sie sich getrennt?«
»Warum trennt man sich? Ich glaube, wir haben uns so viel gegeben, wie wir konnten. Caroline war rastlos. Sie wollte zurück in den Norden. Es gab keine großen Streitereien oder so, lediglich eine gegenseitige Übereinkunft. Und dann war sie weg.«
»Wussten Sie, dass sie ein Baby hatte?«
»Ja. Von Colm. Aber das war, bevor ich sie getroffen habe. Sie hat mir erzählt, dass sie gerade erst in London angekommen und ziemlich froh war, Colm in einem Pub kennen gelernt zu haben. Anscheinend war er ein recht anständiger Kerl, nur die ganze Zeit pleite. Ein paar seiner Kumpels waren nicht ganz so anständig, und das war teilweise der Grund, warum Caroline in dieses Spiel reingezogen wurde. Sie wissen schon, erst ist es ein zeitweiliger Tanzjob in diesem Club, da ist ja nichts Schlimmes dran, oder? Ein bisschen Extrageld auf die Hand, keine blöden Fragen. Miese Typen. Fairerweise muss ich sagen, dass Colm wohl nichts davon wusste. Jedenfalls eine Weile. Dann bekam sie ein Kind von ihm und sie gaben es zur Adoption frei.«
»Erinnern Sie sich an den Namen des Clubs?«
»Ja. Es war das Hole-in-the-Wall, gleich an der Greek Street. Schmuddeliger Laden.«
»Dieser Colm«, meinte Banks. »Kennen Sie seinen Nachnamen?«
»Nein. Komisch, aber wenn ich jetzt daran denke, hat Caroline nie Nachnamen benutzt, wenn sie über Leute gesprochen hat.«
»Haben Sie ihn in letzter Zeit mal gesehen?«
»Ich? Ich habe ihn noch nie gesehen.«
»Woher wissen Sie dann so viel über ihn?«
»Weil mir Caroline von ihm erzählt hat, als wir uns gerade kennen gelernt hatten.«
»Wo hat er gewohnt?«
»Irgendwo in Notting Hill. Es könnte aber auch Muswell Hill gewesen sein. Ehrlich, in der Sache kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Sie war nie dafür berühmt, in die Einzelheiten zu gehen. Sie hat sich immer sehr allgemein gefasst.«
»Sind Sie sicher, dass Caroline nicht bereits schwanger war, als sie in London ankam?«
Ruth runzelte die Stirn und hielt inne, als hätte sie sich plötzlich an etwas erinnert. Sie wandte ihren Blick ab, und als sie sprach, lag ein merkwürdiger, distanzierter Ton in ihrer Stimme. »Wie meinen Sie das?«
»Ich frage nur.«
»Soweit ich weiß, war sie da noch nicht schwanger. Es sei denn, sie hat mich angelogen. Ich schätze, Colm wird Ihnen das bestätigen können, wenn Sie ihn finden.«
»Warum hat Sie diese Frage so aufgebracht?«
Sie legte eine Hand vor die Brust. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Sie waren plötzlich so abwehrend.«
Ruth zuckte mit den Achseln. »Die Frage hat mich einfach an etwas erinnert, mehr nicht.«
»An was denn?«
Ruth griff nach ihrem Kaffeebecher, aber er war leer. Banks wartete. Ihm fiel auf, dass ihre Hand leicht zitterte.
»Etwas, das Caroline zu schaffen machte. Es ist nicht wichtig«, fügte Ruth hinzu. »Wahrscheinlich stimmt es nicht mal.«
»Lassen Sie mich das entscheiden.«
»Also, sie hatte diese Träume und erinnerte sich an gewisse Dinge. Wenigstens glaubte sie das. Sie wusste nicht genau, ob es sich wirklich um Erinnerungen oder um Fantasien handelte.«
»Worum ging es?«
Ruth sah ihm in die Augen, ihre Wangen wurden rot. »Oh, verdammt«, sagte sie. »Caroline begann zu glauben, dass sie als Kind belästigt worden war. Sie hatte das Gefühl, den Vorfall verdrängt zu haben, aber er bahnte sich seinen Weg durch ihr Unterbewusstsein zurück - vielleicht wegen dieser ganzen perversen Typen, denen sie sich hingab.«
»Belästigt? Wann? Wo? Von wem?«
»Wie gesagt, sie war sich gar nicht sicher, ob sie es selbst glaubte.«
»Wissen Sie es?«
»Scheiße, ja. Als Kind. Zu Hause. Von ihrem Vater.«
* ZEHN
*
Weitere Kostenlose Bücher