Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
hielt Veronica Banks' Blick stand, dann nahm sie wieder ihre Gabel und spießte übermäßig heftig eine Garnele auf. Ein paar Reiskörner hüpften über den Tellerrand auf die Serviette auf ihren Knien.
»Ich möchte wissen«, erklärte Banks, »warum Sie mir nicht gesagt haben, was Sie wussten, und ob es noch mehr gibt, was Sie für sich behalten haben. Sie sehen also, es ist ganz einfach.«
Veronica seufzte. »Sie können einen wirklich zur Verzweiflung treiben«, klagte sie. »Wissen Sie das?«
Banks lächelte.
»Na gut. Ich habe es Ihnen nicht erzählt, weil ich ... weil ich Carolines Vermächtnis nicht beschmutzen wollte. Sie war nicht mehr der Mensch von damals. Ich konnte nicht verstehen, welchen Sinn es haben sollte, alles wieder auszugraben und die Zeitungen Kenntnis davon bekommen zu lassen. Reicht Ihnen das?«
»Vorerst. Aber ich wette, da steckt noch mehr dahinter.«
Veronica sagte nichts. Ihr Mund war so fest zusammengepresst, dass das Blut aus ihren Lippen wich.
Banks fuhr fort. »Sie haben nicht gewollt, dass ich oder jemand anderes weiß, dass eine Frau wie Sie mit jemandem, der eine solch grausige Vergangenheit hatte, zusammenlebte. Habe ich Recht?«
»Sie sind ein Scheißkerl«, zischte Veronica mit zusammengebissenen Zähnen. »Sie können einfach nicht verstehen, dass mehr als ein paar Jahre Therapie nötig sind, um die Schäden eines ganzen Lebens zu heilen. Gott, ich kann die ganze Zeit meine Mutter hören: Du bist schmutzig, du bist pervers. Vielleicht haben Sie Recht und ich fühle mich für meinen Umgang schuldig. Aber trotzdem verstehe ich nicht, was es Ihnen bringt, wenn Sie das wissen.«
»Der Grund für den Mord an Caroline könnte in ihrer Vergangenheit liegen. Sie hat sich in ziemlich üblen Kreisen herumgetrieben. Manche von denen kenne ich. Ich habe achtzehn Monate lang für das Sittendezernat in Soho gearbeitet, und das war keineswegs ein Traumjob wie in >Miami Vice<, das können Sie mir glauben. Drogen. Prostitution. Glücksspiel. Große kriminelle Geschäfte. Sehr profitabel und sehr gefährlich. Wenn Caroline auf irgendeine Weise den Kontakt zu diesen Leuten aufrechterhalten hat, dann könnte das eine Menge erklären.«
»Aber das hat sie nicht«, behauptete Veronica und beugte sich mit fest zusammengefalteten Händen über den Tisch. »Das hat sie nicht. Ich habe zwei Jahre mit ihr gelebt. In dieser Zeit sind wir nie nach London gefahren und sie hat sich nie groß über ihr Leben dort geäußert. Verstehen Sie denn nicht? Sie wollte die Zukunft, nicht die Vergangenheit. Wir hatten beide genug von der Vergangenheit.«
Banks schob seinen Teller beiseite, bat um Veronicas Erlaubnis, rauchen zu dürfen, und griff nach seinen Zigaretten. Nachdem er sich eine angezündet und einen ersten Zug genommen hatte, trank er einen Schluck Bier. Veronica faltete ihre Serviette in ein makelloses Quadrat und legte sie neben ihren Teller auf die korallenrote Tischdecke. Ein mit Knoblauch, Zwiebeln und Schweinefleischwürfeln vermischtes Häufchen Reis war noch übrig, aber die Garnelen waren alle verschwunden.
Banks schaute aus dem Fenster und sah einen Mann mit Schlapphut und Steppjacke, der zögernd vor der Peepshow stehen blieb. Wahrscheinlich fiel es ihm schwer, sich aus dem üppigen Angebot für etwas zu entscheiden: »NACKT, FRECH UND UNGEZOGEN« die Straße hinab, »LIVE EROTIK STRIPSHOW« nebenan und nun »NACKTE MÄDCHEN IM BETT« gleich gegenüber. Er steckte seine Hände in die Taschen, zog die Schultern hoch und trottete weiter Richtung Leicester Square. Entweder hatte er den Mut verloren oder er war zur Besinnung gekommen, dachte Banks.
Veronica hatte ihn beobachtet, und als er sich abwandte, um sie wieder anzusehen, lächelte sie ihn schwach an. »Was war denn da?«
»Nichts.«
»Aber Sie haben so aufmerksam hinausgeschaut.«
Banks zuckte mit den Achseln. »Kaffee? Likör?«
»Ich hätte gerne einen Cointreau, wenn die hier welchen haben.«
»Haben sie.« Banks rief den Ober. Für sich bestellte er einen Drambuie.
»Was haben Sie da draußen gesehen?«, wollte Veronica wieder wissen.
»Wie gesagt, nichts Besonderes. Nur einen Mann, wahrscheinlich zu einem Fußballspiel oder so aus der Provinz hergekommen. Er hat gerade Soho unter die Lupe genommen und ist bestimmt überrascht, dass es so billig ist.«
»Was kriegt man denn für 50 Penny?«
»Wenn man Glück hat, einen kurzen
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