Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
nicht genau. Eigentlich um nichts. Auf jeden Fall kommt es mir so vor. Aber es ist komisch.«
»Polizeisache?«
»Tja, es könnte mit dem Einbruch zu tun haben. Sie haben doch gesagt, wir sollen jede Kleinigkeit erwähnen, die uns auffällt.«
»Schießen Sie los.«
»Aber das ist es ja gerade. Es ergibt keinen Sinn.«
»Marcia«, sagte Susan, »warum erzählen Sie es mir nicht einfach? Reden Sie es sich von der Seele.«
Marcia runzelte die Stirn. »Wo soll ich anfangen? Sie werden wahrscheinlich glauben, ich spinne, wenn ich es Ihnen erzähle. Können Sie nicht einfach vorbeikommen und es sich selbst anschauen? Ich wohne nicht weit weg.«
»Jetzt?«
»Wann immer Sie Zeit haben.« Marcia schaute auf ihre Uhr. »Ich muss sowieso in ein paar Minuten los.«
Mittlerweile wusste Susan, wann man keine Zeit verstreichen lassen durfte. Seit sie bei der Kriminalpolizei war, war sie eigentlich immer im Dienst. Sie würde keinen Schritt weiterkommen, wenn sie das persönliche Vergnügen vor den Job stellte, egal wie unergiebig der Gang zu Marcia auch erschien. Außerdem war der Vandalismus ihr Fall. Ein so früher Erfolg in ihrer Karriere bei der Kriminalpolizei würde sich gut machen. Hatte sie also eine andere Wahl, als mitzugehen? Aus Marcia bekam sie im Augenblick anscheinend nicht mehr heraus, also würde sie James hinhalten müssen. Da ihr Marcia versichert hatte, dass es nicht lange dauern würde, müsste sie ihre Verabredung zum Essen ja nicht absagen, sondern nur um etwa eine halbe Stunde verschieben. James würde das verstehen. Er hatte ja genug um die Ohren, um sich in ihrer Abwesenheit zu beschäftigen.
»In Ordnung«, erklärte Susan. »Ich komme mit.«
»Danke, Liebes. Vielleicht ist es nur Zeitverschwendung ... aber warten Sie mal ab, bis Sie es sehen.«
Susan sagte James, dass sie nur kurz weg müsse und in einer halben Stunde wieder zurück sein würde, knöpfte dann ihren Wintermantel zu und verließ mit Marcia den Pub. Sie gingen die York Road in nordöstlicher Richtung entlang, vorbei an der römischen Ausgrabungsstätte, deren kleine Erdhügel und Hüttenfundamente unter der vom Mond beleuchteten Eisschicht unheimlich aussahen.
»Es ist gleich hier.« Marcia führte Susan gegenüber der Ausgrabungsstätte in eine abfallende, mit Vorkriegshäusern gesäumte Straße. Das Haus, in dem sie wohnte, war zwar klein, aber es besaß sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite einen Garten und hatte vom Küchenfenster aus einen schönen Blick auf den Fluss und The Green. Die Einrichtung sah altmodisch und abgenutzt aus und in dem unaufgeräumten Wohnzimmer lagen neben Stapeln von Schnittmustern und Zeitschriften überall Stofffetzen herum. Marcia entschuldigte sich nicht für die Unordnung. Die beschränkte sich also nicht nur auf die Art, wie sie sich kleidete, dachte Susan.
Auf dem Sims über dem elektrischen Kamin stand eine gerahmte Fotografie von Marcias verstorbenem Gatten, einem gut aussehenden Mann, der an der Küste in irgendeinem Urlaubsort mit einer Pfeife im Mund posierte. Marcia stellte den Kamin an. Susan zog ihren Mantel aus und kniete sich Hände reibend vor das rot werdende Heizelement. Während es sich aufheizte, konnte sie riechen, wie Staub verbrannte.
»Tut mir Leid, dass es so kalt ist«, sagte Marcia. »Wir wollten uns eine Zentralheizung anschaffen, aber nachdem Frank gestorben ist, kann ich sie mir einfach nicht mehr leisten.«
»Ich habe auch keine«, bekannte Susan. »Wenn ich nach Hause komme, muss ich mich auch immer erst mal aufwärmen.« Sie stand auf und drehte sich um. »Was wollten Sie mir denn zeigen?«
Marcia schleppte eine große Kiste in die Mitte des Raumes. »Das hier. Erinnern Sie sich, wie ich Ihnen gestern erzählt habe, dass ich gerade ein paar von den Kostümen, die die Rowdys zerstört haben, wieder zusammengeflickt habe?«
Susan nickte.
»Hier, schauen Sie.« Sie hielt ein langes perlmuttfarbenes Abendkleid mit Schulterträgern und tiefem Ausschnitt hoch.
Susan betrachtete es genau. »Aber das war doch nicht...«
»Doch, in Stücke geschnitten«, sagte Marcia. »Schauen Sie.« Sie zeigte die kaum sichtbaren Nähte. »Für ein Bankett im Ritz kann man es natürlich nicht mehr gebrauchen, aber für die Bühne reicht es noch aus. Selbst die vornehme Gesellschaft in der ersten Reihe wird nicht sehen können, dass es wieder zusammengenäht worden ist.«
»Sie
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