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Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn

Titel: Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Qualms konnte sie einen schwachen Geruch der Verwesung wahrnehmen, so als würden unter den Bodenbrettern Fleischstücke verfaulen.
      »Wann haben Sie Ihre Schwester zum letzten Mal gesehen?«, fragte sie ihn.
      Er zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Vor einer Woche, vor zwei Wochen? Sie kam und ging, wie es ihr passte. Zeit spielt hier keine Rolle.«
      »Aber sie hat Sie kürzlich besucht?«
      Gary nickte.
      »Was hat sie da erzählt?«
      Er zündete sich eine Zigarette an und öffnete beim Reden kaum die Lippen. »Nichts. Das Übliche.«
      »Was war das Übliche?«
      »Na ... Arbeit, Haus ... Beziehungen ... Der übliche Scheiß.«
      »Woran leidet Ihr Vater?«
      »An Krebs. Er wurde ein paarmal operiert, danach Chemotherapie ... Sie wissen schon.«
      »Wie lange hat er das schon?«
      »Fünf Jahre.«
      »Und Sie kümmern sich um ihn?«
      Der Junge beugte sich angespannt nach vorn. Auf seinen blassen Wangen traten feuerrote Punkte hervor. »Ja. Ich - und zwar ohne Pause. Bring mir dies, Gary, bring mir das. Hol mir mein Rezept, Gary. Gary, ich brauche ein Bad. Ich setze ihn sogar aufs Klo, damit er scheißen kann. Ja, ich kümmere mich um ihn.«
      »Verlässt er nie sein Zimmer?«
      Er seufzte und ließ sich wieder auf das Sofa fallen. »Wie gesagt, nur, um ins Bad zu gehen. Er schafft die Stufen nicht. Außerdem will er auch gar nicht. Er hat aufgegeben.«
      Das erklärte den Zustand des Hauses. Susan fragte sich, ob sein Vater wusste, vermutete oder sich überhaupt darum scherte, dass sich sein Sohn in dem riesigen, kalten Haus breit gemacht hatte, um neben seiner Verantwortung als Krankenpfleger noch eine Art Privatleben führen zu können. Sie wollte ihn fragen, wir er mit alldem zurechtkam, aber sie wusste im Voraus, dass er ihr darauf nur verächtlich antworten würde: »Wer soll es denn sonst machen?«
      Stattdessen fragte sie: »Wie alt waren Sie, als Ihre Schwester weggelaufen ist?«
      Er schien von dem plötzlichen Themenwechsel überrascht zu sein und musste einen Augenblick nachdenken. »Acht. Wir liegen acht Jahre auseinander. Caroline benahm sich schon seit Jahren wie ein Miststück. Die Atmosphäre war immer gespannt. Die haben sich die ganze Zeit gezankt oder waren zumindest immer kurz davor. Als sie das Haus verließ, war das eine Erleichterung.«
      »Warum?«
      Er wandte sich ab, sodass sie seine Augen nicht sehen konnte. »Warum? Keine Ahnung. Sie war einfach so. Einfach hysterisch. Besonders, was mich betraf. Von Anfang an hat sie mich gequält, schon als ich noch ein Baby war. Einmal konnten meine Eltern sie gerade noch davon abhalten, mich beim Baden zu ertränken. Natürlich meinten sie, sie hätte gar nicht gewusst, was sie da tat, aber sie wusste es ganz genau.«
      »Warum hätte sie Sie umbringen wollen?«
      Er zuckte mit den Achseln. »Sie hasste mich.«
      »Ihr Vater sagt, dass er sie immer geliebt hat.«
      Verächtlich schaute er zur Decke hoch. »O ja«, sagte er langsam, »sie war immer sein Liebling, selbst nachdem sie nach London abgehauen ist, um auf den Strich zu gehen. Caroline hat nie was falsch gemacht. Aber wer blieb hier, um sich um ihn zu kümmern?«
      »Warum sagen Sie, sie wäre auf den Strich gegangen? Woher wissen Sie das?«
      »Was sollte sie denn sonst machen? Sie hatte keine Ausbildung, aber sie war sechzehn. Sie hatte zwei Titten und eine Möse - wie jedes andere Weibsbild.«
      Er hoffte wohl, Susan mit seiner Derbheit zu schockieren, doch den Gefallen tat sie ihm nicht. »Haben Sie sie in dieser Zeit mal gesehen?«
      »Ich? Sie machen wohl Witze. Eine Zeit lang war alles in Ordnung, bis Mama krank wurde und starb. Sie hat nur ein, zwei Monate gebraucht und nicht fünf Jahre wie dieser elende, alte Mistkerl da oben. Als es bei ihm losging, war ich dreizehn. Er blieb im Bett wie ein Fisch im Wasser und seitdem hat sich nichts daran geändert.«
      »Was ist mit der Schule?«
      »Manchmal bin ich hingegangen. Er schläft die meiste Zeit, also komme ich klar, wenn er nicht gerade eine seiner schwierigen Phasen hat. Letztes Jahr bin ich abgegangen. Jobs gibt es ja sowieso nicht.«
      »Was ist mit der Krankenkasse? Hilft die nicht?«
      »Die schickt nur ab und zu eine Schwester vorbei. Und kommen Sie mir bloß nicht mit einem Pflegeheim! Wenn ich könnte, würde ich ihn in null Komma nichts einliefern, aber wenn man kein Geld hat, gibt es auch keinen Heimplatz.« Er

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