Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
sich Handschellen anlegen zu lassen, und sagte in einem Cockney-Akzent: »Okay, okay, Chef! Genug ist genug! Ich packe aus.«
Die Leute am Nachbartisch schauten herüber. Susan war es peinlich, doch sie musste unwillkürlich lächeln. Sie beugte sich vor und legte ihre Ellbogen auf den Tisch. »Ich höre«, flüsterte sie.
»Ich schätze, jeder Mann ist ein bisschen in jede schöne Frau verliebt«, raunte Conran leise.
Susan wurde rot und griff nach ihrem Glas. Sie betrachtete sich selbst nicht als schön. Aber wollte er andeuten, dass sie es war? »Eine sehr ausweichende Antwort«, bemerkte sie. »Und außerdem klingt sie wie ein Zitat.«
Conran grinste. »Aber es stimmt, oder? Hängt natürlich von der jeweiligen sexuellen Vorliebe ab.«
»Ich finde es ekelhaft, so wie Caroline gelebt hat«, bekannte Susan. »Abnorm. Ich will ja nicht schlecht über Tote reden«, sprudelte sie weiter und wurde immer röter, »aber bei dem bloßen Gedanken daran kriege ich das kalte Grausen.«
»Das war ihre Sache«, erklärte Conran.
»Aber finden Sie es nicht pervers?«
»Ich kann mir schlimmere Dinge vorstellen.«
»Wahrscheinlich«, sagte Susan und hatte das Gefühl, dass sie zu viel ausgeplaudert hatte. Was war nur los mit ihr? Erst hatte sie so gezögert, mit ihm auszugehen, und jetzt offenbarte sie gleich ihre Ängste. Und dann gerade ihm. Als Künstler mussten ihm bestimmt schon allerlei Perverse über den Weg gelaufen sein. Aber sie hatte nicht anders gekonnt. Die Vorstellung der beiden Frauen im Bett quälte sie immer noch. Und sie war besonders lebendig, weil sie gerade erst vom Gespräch mit der kühlen, eleganten Veronica Shildon gekommen war. Ruhig Blut, Susan, warnte sie sich selbst.
»Haben Sie schon eine Ahnung, wer der Mörder ist?«, wollte Conran wissen.
Susan schüttelte den Kopf.
»Und was ist mit Ihrem Chef?«
»Ich weiß nie wirklich, was er denkt«, antwortete Susan. Sie lachte. »Er ist schon ein komischer Kerl, unser Chief Inspector Banks. Manchmal frage ich mich, wie er den Job überhaupt hinkriegt. Er nimmt sich gerne seine Zeit und er geht so einfühlsam mit anderen Leuten und ihren Gefühlen um. Ich wette, sogar mit Kriminellen.« Sie trank ihr Glas aus.
»Klingt so, als wäre er ein Weichei«, stellte Conran fest, »aber ich bezweifle sehr, dass er eines ist.«
»Nein, er ist kein Weichei. Er ist...«
»Verständnisvoll?«
»Eher einfühlend, mitfühlend. Schwer zu erklären. Das hält ihn nicht davon ab, Kriminelle bestraft sehen zu wollen. Wenn er muss, dann kann er hart sein, sogar grausam. Ich habe nur den Eindruck, dass er alles auf die behutsamste Art und Weise macht.«
»Sie sind eher pragmatisch veranlagt, oder?«
Susan war nicht ganz klar, ob er sich lustig über sie machen wollte oder nicht. Das gleiche Gefühl hatte sie häufig bei Philip Richmond. Sie kniff ihre Augen zusammen. »Ich möchte meine Arbeit so gut es geht erledigen, ja. Gefühle können einem dabei im Weg stehen, wenn man sie zulässt.«
»Und das würden Sie nicht tun?«
»Ich versuche es jedenfalls.«
»Noch einen Drink?«, fragte Conran.
»Warum nicht«, meinte sie. »Aber unter zwei Bedingungen.«
»Und zwar?«
»Erstens, ich zahle. Zweitens, kein Gerede mehr über die Arbeit. Von keinem von uns.«
Conran lachte. »Abgemacht.«
Susan nahm ihre Handtasche und ging zur Theke.
* IV
»Wie gesagt«, erklärte Sergeant Hatchley seiner frisch Angetrauten, »es handelt sich ja nicht wirklich um Arbeit. Da solltest du mich besser kennen, Schatz. Wir gehen aus, sieh es doch mal so.«
»Aber was ist, wenn ich gar nicht ausgehen will?«, meinte Carol.
»Ich zahle«, erklärte Hatchley, als hätte sich damit jede Diskussion erübrigt.
Carol seufzte und machte die Tür auf. Sie standen auf dem Parkplatz hinter dem Lobster Inn in Redburn, von ihrem neuen Zuhause in Salty Bay ungefähr zwanzig Kilometer die Küste hoch. Der Wind vom Meer war so eisig, als würde er direkt vom Nordpol kommen. Die Nacht war klar, die Sterne leuchteten wie Eissplitter und hinter den einladenden Lichtern des Pubs konnten sie das wilde Grollen und Donnern des Meeres hören. Als sie zur Hintertür liefen, zog Carol zitternd ihren Schal fester um den Hals.
Im Lokal war es dann aber unglaublich behaglich. Von den glatten und abgeschliffenen Deckenbalken, die wie jahrelang der See ausgesetztes
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