Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
obwohl es ab und zu regnete, kamen sie gut voran.
Nachdem er eine ganze Zeit lang vor sich hin gegrummelt hatte, entschied Gristhorpe, dass es am besten wäre, gleich hinter Northampton die Autobahn zu verlassen und die Landstraße über Oxford, Swindon und Salisbury zu nehmen. Banks fuhr so schnell er konnte und nur eine Stunde später erreichten sie die Ausfahrt auf die A43. Am späten Nachmittag umfuhren sie Oxford und wurden erst in Swindon vom Feierabendverkehr aufgehalten.
Hinter Blandford Forum vertrieben sie sich die Zeit damit, die Wegweiser zu lesen und sich gegenseitig nach den von Hardy verwendeten Namen für die Orte abzufragen. Das Spiel stand lange unentschieden, doch als Gristhorpe Milton Abbas als Middleton Abbey entschlüsselte, ging er in Führung.
Nach einem Stau im Stadtzentrum von Dorchester kamen sie am frühen Abend in Weymouth an. Loder hatte ihnen den Weg zum Hotel genau beschrieben und glücklicherweise war es leicht zu finden. Es war eines der georgianischen Häuser in der Dorchester Road, kurz bevor die Straße in die Esplanade überging.
Eine pummelige Frau mit gelocktem Haar namens Maureen begrüßte sie in der kleinen Hotelhalle und sagte ihnen, dass Inspector Loder mit seinen Männern vor einiger Zeit gegangen sei, aber eine Wache vor dem Zimmer postiert und sie gebeten habe, ihn im Revier anzurufen, sobald Banks und Gristhorpe eingetroffen wären. Ihre Zimmer für diese Nacht waren bereits gebucht worden: zwei Einzelzimmer in der dritten Etage, eine Etage unter derjenigen, in der die Leiche entdeckt worden war.
Aus Höflichkeit warteten Banks und Gristhorpe auf Loder, um dann mit ihm hinauf in das Zimmer zu gehen. Sie hatten darum gebeten, alle Dinge so weit wie möglich in dem Zustand zu belassen, in dem sie gewesen waren, als das Zimmermädchen die Leiche am Morgen gefunden hatte. Natürlich hatten Loders Leute von der Spurensicherung ihre Arbeit getan und der zuständige Pathologe die Leiche vor Ort untersucht, aber die Verstorbene befand sich noch in der gleichen Position, in der man sie entdeckt hatte.
Fünfzehn Minuten später trat Loder in die Halle. Er war ein auffallend dünner Mann mit einem lang gezogenen, griesgrämigen Gesicht und einem spärlichen grauen Haarflaum. Kurz vor der Pensionierung, vermutete Banks, und vom Dienst ausgebrannt. Sein abgetragener marineblauer Anzug war ihm zu weit und die in Metall gefasste Brille balancierte gefährlich nahe auf der Spitze seiner langen, dünnen Nase. Wenn er sprach, schielten seine graugrünen Augen über die Linsen hinweg.
Nachdem die Formalitäten erledigt waren, gingen die drei Männer über die mit dickem Teppich ausgelegte Treppe hinauf zu Zimmer 403.
»Wir haben versucht, alles so zu machen, wie Sie es wünschten«, sagte Loder auf dem Weg nach oben. »Dass die Spurensicherung da war, lässt sich vermutlich nicht übersehen, aber sonst...« Er sprach mit einem lokalen Akzent, eine Art tiefes Brummen, das die Vokale etwas verschluckte; außerdem sprach er langsam und hielt zwischen jedem einzelnen Gedanken inne.
Auf Loders Zeichen hin trat der uniformierte Constable zur Seite, dann betraten sie das Zimmer und schalteten das Licht an. Da die Kriminaltechniker bereits ihre Arbeit getan hatten, mussten sie keine Plastikhandschuhe tragen. Was sich ihnen darbot, war teilweise eine Konservierung, teilweise eine Wiederherstellung des Tatortes.
Zuerst betrachtete Banks das Zimmer als Ganzes. Für ein Hotelzimmer an der Küste war es ungewöhnlich geräumig; es hatte hohe Decken, prunkvollen Stuck und ein Giebelfenster mit Blick auf das Meer, das jetzt jenseits der Lichter der Esplanade nur verschwommen zu sehen war. Das Fenster war ein Stückchen geöffnet, sodass Banks die angenehme Kühle der Brise spürte und das entfernte Klatschen der Wellen auf den Strand hörte. Gristhorpe stand ebenso wachsam neben ihm. Die Tapete mit dem hellen Blumenmuster verlieh dem Zimmer eine heitere Atmosphäre, dazu hing über dem Schreibtisch ein gerahmtes Aquarell der Strandpromenade von Weymonth. Es gab nur noch wenige andere Möbel: einen Sessel, den Fernseher, eine Frisierkommode, einen Kleiderschrank und Nachttische - und natürlich das große Bett selbst. Das hob sich Banks bis zum Schluss auf.
Der Körper der Frau zeichnete sich unter dem zerknitterten weißen Bettlaken, das ihn bedeckte, deutlich ab. Auf den ersten Blick hatte man den Eindruck, sie hätte sich nur zufällig auf den
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