Inspector Alan Banks 07 Die letzte Rechnung
war. Die goldenen Zeiger auf dem blauen Zifferblatt der Kirchturmuhr standen auf Viertel vor vier.
Banks zündete sich eine Zigarette an und beobachtete, wie Kaufleute ihre Warenlieferungen in Empfang nahmen und Touristen Bilder von dem historischen Marktkreuz und der Fassade der normannischen Kirche schossen. Draußen herrschte ein ganz anständiges Wetter, warm genug für eine leichte Jacke, aber der graue Schleier, der mit Tagesanbruch aufgezogen war, verdeckte immer noch die Sonne. Auf Banks Dalestnan-Kalender zeigte das Maiblatt eine Wiese unterhalb des Great-Shunner-Wasserfalles in Swaledale, auf der Blumen in strahlendem Rosa und Violett blühten. Der tatsächliche Mai kämpfte bisher gegen Regenschauer und kühle Temperaturen.
Wieder zurück an seinem klapprigen Metalltisch, öffnete Banks als Nächstes den Umschlag mit Rothwells Tascheninhalten und breitete sie vor sich aus.
In einem Lederetui steckten ein paar Visitenkarten, die Rothwell als »Finanzberater« auswiesen. In seinem Portemonnaie befanden sich drei Kreditkarten, einschließlich einer goldenen von American Express, die Rechnung von Mario's vom Abend des Hochzeitstages sowie Quittungen von der Buchhandlung Austick, einem Computerladen und zwei Restaurants, alle aus Leeds und alle datiert auf die vorhergehende Woche. Außerdem entdeckte Banks Fotos von Alison und Mary Rothwell. Fürwahr eine glückliche Familie. Rothwell hatte einhundertundfünf Pfund Bargeld in seiner Börse, fünf neue Zwanziger und einen zerknitterten alten Fünfer.
Die anderen Taschen enthielten ein Taschentuch in guter Seidenqualität und genau wie die Manschettenknöpfe an der Leiche mit dem Monogramm »KAR« versehen, die Schlüssel des BMW, Hausschlüssel, eine kleine Packung Renny, zwei Knöpfe, einen goldenen Cross-Füllfederhalter, ein leeres, in Leder gebundenes Notizbuch und - der blanke Horror - eine Zehnerpackung Benson and Hedges, von denen sechs schon geraucht waren.
Banks empfand plötzlich eine gewisse Achtung für den verstorbenen Keith Rothwell. Aber vielleicht halfen die Zigaretten auch, etwas zu erklären. Banks war sich sicher, dass Mary Rothwell ihrem Ehemann niemals gestattet hätte, das Haus mit seiner widerlichen Angewohnheit zu verpesten. Dann könnte das Rauchen der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass er sich ab und zu gerne ins Black Sheep oder ins Rose and Crown verzog. Das Trinken war bestimmt nicht der Grund. War er ein heimlicher Raucher? Oder wusste sie davon? Banks fand kein goldenes Feuerzeug, nur eine schwefelige, alte Schachtel Streichhölzer; und Rothwell war der Typ Mensch, der die benutzten Streichhölzer verkehrt herum wieder in die Schachtel steckte.
Es war fast sechs Uhr, als das Telefon klingelte. Vic Manson meldete sich aus dem Labor. Vic verbrachte ungefähr genauso viel Zeit in Northallerton beim Team der Spurensicherung von North Yorkshire wie im Labor der Kriminaltechniker, und obwohl Banks wusste, dass Vic Experte für Fingerabdrücke war, fragte er sich manchmal, was er tat und wo er eigentlich arbeitete.
»Was haben Sie für uns?«, fragte Banks.
»Immer mit der Ruhe.«
»Ach, dann ist das ein reiner Höflichkeitsanruf?«
»Nicht ganz.«
»Sondern?«
»Da wäre zunächst einmal dieses Füllmaterial.«
»Was ist damit?«
»Wir haben den Papierschnipsel auseinander gefaltet und ein bisschen was darüber herausgefunden. Innen war er nicht besonders stark verbrannt. Die Nachforschungen haben ergeben, dass es sich um gute Papierqualität handelt und er aus einem Magazin stammt, wahrscheinlich aus einem deutschen. Fingerabdrücke sind aber Fehlanzeige. Alles verwischt. Er stammt nicht aus einem harmlosen Mädchenmagazin, aber auch nicht aus einem perversen Hardcoreheft. Das Bild, das wir rekonstruieren konnten, zeigt eine rasierte Vagina, ein Finger berührt die Klitoris. Der Fingernagel ist hellrot lackiert.«
»Das muss die Rückseite von dem sein, was ich gesehen habe«, sagte Banks. »Hilft das weiter?«
»Könnte sein. Anscheinend gibt es Leute, die auf rasierte Vaginen stehen. In der Richtung könnte man auf jeden Fall weiterforschen.«
Banks seufzte. »Oder unser Mörder hatte einfach einen abartigen Sinn für Humor. Aber wir können das mal im Computer überprüfen, vielleicht hat es ähnliche Fälle gegeben. Was ist mit der Waffe?«
»Kaliber zwölf, doppelläufig. Der Menge der Schrottkugeln nach zu urteilen, die wir gefunden haben,
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