Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
neben dem Polizeibeamten stehen, der sie in der vergangenen Nacht aufgesucht hatte.
Er war kleiner, als man es von einem Polizisten erwarten würde, fiel ihr auf, schlank und drahtig, und strahlte eine gewisse Spannkraft aus. Sein kurz geschorenes schwarzes Haar war an den Schläfen leicht ergraut und seine blauen Augen tanzten und sprühten vor Energie. Neben seinem rechten Auge war eine kleine, gebogene Narbe zu sehen.
»Detective Chief Inspector Banks ist wieder da«, sagte Daniel. »Er möchte uns noch ein paar Fragen stellen.«
Rebecca nickte, legte ihre Schürze ab und folgte ihnen in das Wohnzimmer. Das Weinglas ließ sie auf dem Küchentisch stehen. Die Aussprache wurde wieder aufgeschoben. Vielleicht könnte sie sich durch eine weitere kummervolle und schuldbeladene Nacht trinken.
»Es tut mir Leid, erneut zu stören«, sagte Banks, nachdem sich alle hingesetzt hatten. Er nieste, holte ein großes Taschentuch hervor und putzte seine Nase. »Entschuldigung. Ich fürchte, ich habe mir eine Erkältung zugezogen. Nun, ich will gleich zum Thema kommen. Ich sehe, dass Sie gerade mit dem Abendessen beschäftigt sind. Ich habe mich nur gefragt, ob Sie mir vielleicht heute die Wahrheit über gestern Abend erzählen wollen.«
Einen Augenblick lang war Rebecca völlig konsterniert darüber, dass Banks ohne Umschweife auf den Punkt kam. »Die Wahrheit?«, wiederholte sie.
»Ja. Sie sind eine schlechte Lügnerin, Mrs Charters. Und das können Sie als Kompliment nehmen.« Er schaute zu Daniel. »Als ich Ihren Mann gestern fragte, wo er gewesen wäre, als Sie den Schrei gehört haben, sind Sie ihm ein bisschen zu schnell mit einer Antwort zuvorgekommen.«
»Bin ich das?«
»Ja. Und dann fühlte er sich gezwungen, ebenfalls zu lügen, um Sie zu decken. In gewisser Weise ist das alles sehr bewundernswert, aber ich kann es nicht durchgehen lassen. Nicht, wenn ein totes, sechzehnjähriges Mädchen in der Eastvaler Leichenhalle liegt.«
Rebecca hatte es völlig die Sprache verschlagen. Was zum Teufel ging hier vor? Ihr Kopf drehte sich, sie suchte nach Worten, aber bevor sie irgendetwas sagen konnte, schaltete sich eine wesentlich ruhigere Stimme als ihre eigene ein.
»Chief Inspector«, sagte Daniel Charters, »das ist leider ganz und gar mein Fehler. Ich hätte Rebecca korrigieren müssen und die Lüge nie im Raum stehen lassen dürfen. Denn für eine Lüge gab es keinerlei Grund, glauben Sie mir. Ich habe nichts zu verbergen.«
Banks nickte. Er wartete auf mehr.
Daniel seufzte und fuhr fort: »Ja, ich war nicht zu Hause, als meine Frau den Schrei hörte, aber ich kann Ihnen versichern, dass meine Abwesenheit absolut nichts mit dem Mord an dem armen Mädchen zu tun hatte.«
»Wo waren Sie?«, fragte Banks.
Rebecca bemerkte, wie Daniel einen Augenblick nachdenklich seine Lippen zusammenpresste. »Das möchte ich lieber nicht sagen.«
»Es würde uns sehr helfen, wenn wir Ihre Aussage überprüfen könnten.«
Daniel schüttelte den Kopf. »Leider bin ich nicht dazu in der Lage, mein Alibi zu beweisen, selbst wenn ich es Ihnen erzähle.«
»Sie könnten es uns versuchen lassen.«
Er lächelte traurig. »Das ist nett von Ihnen, aber ...«
An der Tür klingelte es wieder.
»Ich gehe«, sagte Rebecca.
»Wer auch immer es ist«, sagte Daniel zu ihr, »sieh zu, dass du ihn loswirst.«
Rebecca ließ die beiden allein und öffnete die Eingangstür. Patrick Metcalfe stand vor ihr. Er sah aus, als wäre er seit Stunden ohne Mantel durch den Regen gelaufen.
»O mein Gott!«, rief Rebecca und versuchte, die Tür zu schließen. »Bitte, geh weg. Verstehst du nicht, dass du schon genug Ärger angerichtet hast?«
»Lass mich rein, Rebecca. Ich möchte mit euch beiden sprechen. Ihr müsst mich anhören.«
Er drückte gegen die Tür, und Rebecca war nicht kräftig genug, um sie zurückzuschieben. Plötzlich hörte sie Banks' ruhige Stimme hinter sich. »Warum lassen Sie ihn nicht herein, Mrs Charters? Wer auch immer es ist. Je mehr, desto besser.«
* II
Um halb sieben war selbst Barry Stott so weit, Feierabend zu machen. Erst hatte es so ausgesehen, als würde der Nieselregen aufhören, doch als es dunkel wurde, hatte er sich zu einem regelrechten Wolkenbruch entwickelt, und mittlerweile waren sowohl Stott als auch Sergeant Hatchley bis auf die Knochen durchnässt. Auch der beste Regenmantel und die solidesten
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