Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
von Dieselabgasen, führten ein paar schwere Glastüren an der kleinen Bude eines Zeitungshändlers vorbei zu einem Aufzug, der selten funktionierte.
Am oberen Ende der Treppe mündete ein mit Geschäften gesäumter Gang in eine offene, mit Glas überdachte Einkaufszone, deren zentraler Springbrunnen von ein paar kleinen, schäbigen Bäumen in Holzkübeln umgeben war. Das Swainsdale-Center.
Mehrere weitere Gänge, die von anderen Straßeneingängen ausgingen, liefen wie Speichen in diesem Zentrum zusammen. Überall gab es Geschäfte - HMV, Boots, W. H. Smith, Curry's, Dixon's -, aber an diesem Mittwochabend um halb sieben war keines mehr geöffnet. Einzig und allein das kleine Café machte noch Umsatz - wenn man zwei Tassen Tee und einen Keks in den letzten zwei Stunden »Umsatz« nennen konnte.
Die Jugendlichen trieben sich am Springbrunnen herum, lehnten sich für gewöhnlich gegen die Bäume oder saßen auf den Bänken, die für kleine, alte Damen aufgestellt worden waren. Jetzt wagte es keine kleine, alte Dame, in ihre Nähe zu kommen.
Auf dem Grund des Beckens, in das die Fontäne spritzte, glitzerte eine Reihe Pennys. Gott weiß, warum die Leute meinten, sie müssten Münzen ins Wasser werfen, dachte Banks. Aber vor allem war das kleine Becken verdreckt mit dahintreibenden Zigarettenkippen, Cellophan, Verpackungen von Marsriegeln, Bierdosen, Plastiktüten, die Spuren von Lösungsmittel enthielten, und dem einen oder anderen benutzten Kondom.
Als er näher kam, durchzuckte Banks plötzlich eine Angst. Er stellte sich vor, dass Tracy inmitten dieser wilden Clique stand und eine von denen war, die rauchten, Bier tranken, sich gegenseitig albern schubsten und ab und zu Obszönitäten oder jähe Schreie ausstießen - sich eben so benahmen, wie Jugendliche es tun.
Dann erinnerte er sich daran - wie er es in den letzten Tagen ständig tun musste -, dass er in ihrem Alter nicht wesentlich anders gewesen war und dass die meisten Jugendlichen unter der Prahlerei und der rauen Schale im Grunde recht anständig waren.
Außer John Spinks.
Laut Tracy war Spinks wegen seiner oft erzählten, aber nie bewiesenen kriminellen Heldengeschichten so etwas wie der Star der Gruppe. Ihrer Meinung nach hatte er die meisten der Geschichten erfunden, doch selbst sie musste zugeben, dass er den anderen gelegentlich Zigaretten und Bier ausgab. Da er nicht arbeitete und vom Arbeitsamt nicht so viel Geld bekommen konnte, musste er sein Einkommen logischerweise durch kriminelle Aktivitäten aufbessern. Und es schien ihm nie an ein paar Pfund für eine neue Lederjacke zu mangeln.
Er lebte gemeinsam mit seiner Mutter in der Siedlung im Ostend, einem verfallenden Zeugnis des sozialen Optimismus der sechziger Jahre, aber er redete nie viel von seinem Zuhause.
Einmal hatte er damit geprahlt, bei einer »Acid-HouseParty« in Manchester gewesen zu sein, hatte Tracy erzählt, und behauptet, dort Ecstasy genommen zu haben. Er hatte auch Klebstoffschnüffeln versucht, war aber zu der Überzeugung gelangt, dass es Kinderkram war und Pickel verursachte. Er war stolz auf seine reine Gesichtshaut.
Spinks, einen Kopf größer als die anderen, war nach Tracys Beschreibung sofort zu erkennen. Sein hellbraunes Haar war hinten und an den Seiten kurz, oben aber lang, und eine Locke bedeckte einen Teil seiner linken Gesichtshälfte. Er trug Jeans, Turnschuhe mit offenen Schnürsenkeln und eine halblange Armeejacke.
Als Banks und Hatchley auf ihn zutraten, ihre Dienstausweise zeigten und um ein persönliches, kleines Gespräch baten, lief er weder weg noch beschimpfte er sie oder protestierte, sondern zuckte nur mit den Achseln und sagte: »Klar.« Dann grinste er seine Kumpels von der Seite an und folgte ihnen.
Sie gingen in das Café, setzten sich an einen Tisch und Hatchley holte drei Kaffee und ein paar Schokoladenkekse. Die Besitzerin strahlte; das war mehr Umsatz, als sie seit einer Ewigkeit gemacht hatte.
Irgendwie hatte Tracy Recht: Spinks ähnelte einem Darsteller aus der Fernsehserie »Neighbours«. Er hatte ein markantes Gesicht mit glatter Haut, volle, für einen Jungen vielleicht etwas zu rote Lippen, braune Augen, die wahrscheinlich das Herz eines jungen Mädchens schmelzen lassen konnten, und gerade weiße Zähne, die vorne nur leicht vom Tabak verfärbt waren. Er nahm die Zigarette, die Banks ihm anbot, und brach den Filter ab, bevor er sie rauchte.
»Sie sind also Tracy
Weitere Kostenlose Bücher