Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
sehen«, sagte ich.
Zuerst stellte ich den Kessel auf, um Tee zu kochen, dann schälte ich einige Kartoffeln und putzte die Möhren und Pastinaken. Wenn ich das selbst sagen darf: Es war ein schönes Essen, das ich an jenem Sonntag auf den Tisch zauberte. Matthew hatte bei seinen Übungen für die Bürgerwehr am Wochenende im Wald ein Kaninchen gefangen, an dem genügend Fleisch war, um uns vier zu sättigen. Außerdem hatten wir ein paar Zwiebeln aus dem Garten und Rhabarber für einen Kuchen. So fleißig pflanzten wir unser eigenes Gemüse an!
Das Wasser im Kessel kochte. Ich bereitete den Tee zu und brachte ihn hinein, dazu einen Teller mit Plätzchen. Durch die Rationierung musste man sparsam haushalten, deshalb war der Tee viel schwächer als sonst bei uns üblich. Da der Zucker auf nur ein Pfund für zwei Wochen rationiert war und sich der Großteil davon im Rhabarberkuchen befand, hatten wir drei aufgehört, den Tee damit zu süßen. Doch bei Gloria war ich mir nicht sicher, also bot ich ihn ihr an.
»Das mach ich nicht mehr«, sagte sie. »Ich habe nämlich eine viel bessere Verwendung für meine Zuckerration gefunden.«
»Ach ja?«, fragte ich.
»Ja.« Sie schüttelte ihre Locken. »Wenn man ihn mit warmem Wasser verrührt, kann man ihn als Haarfestiger benutzen.«
Darüber hatte ich noch nie nachgedacht, denn mein dünnes, unscheinbares Haar war damals kurz und zu einem Pagenkopf geschnitten. »Da muss sich dein Kopf aber furchtbar klebrig anfühlen«, bemerkte ich.
Sie lachte. »Tja, manchmal habe ich Schwierigkeiten, den Hut abzunehmen, das kann ich dir sagen. Aber bei dem Wind, der manchmal oben auf dem Hof bläst, kann das auch ein richtiger Segen sein.«
In dem Moment hatte Mutter ihren großen Auftritt. Wegen ihrer Arthritis ging sie langsam, und ihr Stock klopfte auf den Holzboden, so dass man sie lange hörte, bevor man sie sah. Sie trug eines ihrer alten Kleider mit Blumenmuster und hatte sich die Mühe gemacht, das Haar in Locken zu legen, obwohl ich bezweifelte, dass sie Zucker und warmes Wasser benutzt hatte. Mutter war nie geschminkt. Sie hatte eine schmale, ziemlich zerbrechlich wirkende Gestalt, ein wenig vornübergebeugt, dazu ein rundes, gerötetes, angenehmes Gesicht. Es war ein freundliches Gesicht und sie war eine freundliche Frau. Doch wie ich neigte auch sie dazu, sich manchmal überdeutlich auszudrücken. Was die Arthritis auch aus ihrem Körper gemacht hatte - ihre Zunge hatte sie nicht gebändigt. Als sie Gloria kennen lernte, erwartete ich, dass die Fetzen flogen, aber ich hatte mich in letzter Zeit ja schon bei so manchen Dingen geirrt.
»Was für eine hübsche Bluse, meine Liebe«, sagte Mutter nach der gegenseitigen Vorstellung. »Haben Sie die selbst gemacht?«
Ich bekam fast keine Luft mehr.
»Ja«, antwortete Gloria, »ich konnte ein wenig Fallschirmseide organisieren, die habe ich gefärbt. Es freut mich, dass sie Ihnen gefällt. Ich kann Ihnen auch eine nähen, wenn Sie mögen. Ich habe mir auf dem Hof ein wenig Stoff zur Seite gelegt.«
Mutter legte sich die Hand auf die Brust. »Du lieber Himmel, mein Kind, Sie wollen doch Ihre Zeit nicht damit verschwenden, für eine alte verkrüppelte Frau wie mich modische Kleidung zu machen. Nein, was ich habe, wird schon bis zu meinem Ende reichen.« Das war typisch Mutter, dieser lebensmüde Ton, als ob ihr Ende in den nächsten Minuten bevorstünde.
The Brains Trust war vorbei, und eine Extrasendung über Jerome Kern folgte. Gloria gefiel sie besser, denn die ganzen Lieder kannte sie aus ihren geliebten Hollywood-Musicals. Sie summte die Melodien von »A Fine Romance«, »You Couldn't Be Cuter« und »The Way You Look Tonight« mit.
Als Mutter und Gloria anfingen, sich darüber zu unterhalten, wie wunderbar sie Fred Astaire und Ginger Rogers in Swing Time fanden, war ich vollkommen baff. Es war Zeit für das Abendessen, doch inzwischen war mir richtig übel geworden.
Jerome Kern war vorbei, und wir stellten das Rundfunkgerät ab, während wir aßen. »So, mein Kind«, sagte Mutter, als der Eintopf serviert wurde, »jetzt erzählen Sie uns mal von sich!«
»Da ist eigentlich nicht viel zu erzählen«, erwiderte Gloria.
»Ach, kommen Sie. Woher stammen Sie?«
»Aus London.«
»Ach, Sie armes Ding. Was ist mit Ihren Eltern?«
»Die wurden beide bei der Bombardierung getötet.«
»Oh je, das tut mir wirklich Leid.«
»Viele
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