Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
vermisst oder verschollen.«
      »Und wenn es so war?«
      Arthur Winchester zögerte und bürstete einen nicht vorhandenen Flusen vom Revers. »Tja«, meinte er, »die Japaner nehmen nicht gerne Verwundete gefangen. Das hängt natürlich davon ab, wie schwer er verwundet war, ob er arbeiten konnte und so weiter.«
      »Sie wollen also sagen, dass sie ihn einfach umgebracht haben, als er verwundet und wehrlos dalag?«
      »Ich will sagen, dass das möglich ist. Oder ...«
      »Oder was?«
      Er wandte den Blick ab. »Wie schon gesagt, man ließ den Verwundeten eine Waffe da.«
      Es brauchte ein paar Augenblicke, bis wir verstanden, was er meinte. Ich glaube, ich antwortete als Erste. »Sie meinen, Matthew könnte Selbstmord begangen haben?«
      »Wenn eine Gefangennahme unausweichlich und er stark verwundet war, dann würde ich sagen, ist das eine Möglichkeit.« Seine Stimme hellte sich ein wenig auf. »Aber das ist alles nur reine Vermutung, verstehen Sie? Ich weiß überhaupt nichts über die genaueren Umstände. Vielleicht wurde er einfach vom Feind gefangen genommen und bringt den Rest des Krieges in einem relativ sicheren Gefangenenlager hinter sich. Ich meine, Sie haben doch gesehen, wie gut wir für die Deutschen und Italiener hier sorgen, oder?«
      Das stimmte. Die Italiener in Yorkshire arbeiteten sogar zur Saat- und Erntezeit auf den Höfen. Gloria und ich unterhielten uns gelegentlich mit ihnen, und für Kriegsgefangene machten sie einen ganz fröhlichen Eindruck. Sie sangen beim Arbeiten mit Vorliebe Opernarien, und einige von ihnen hatten wunderbare Stimmen.
      »Aber Sie sagten eben, die Japaner nähmen nicht gerne Kriegsgefangene.«
      »Sie haben nichts übrig für Schwache und Besiegte. Aber wenn sie gesunde Männer gefangen nehmen, können sie sie an Eisenbahnen, Brücken und so weiter arbeiten lassen. Sie sind ja nicht dumm. Sie sagten doch eben, ihr Mann sei Ingenieur, er könnte ihnen also von Nutzen sein.«
      »Wenn er sich darauf einließ.«
      »Ja. Das Hauptproblem ist, dass wir nicht viel über die Japaner wissen, unsere Informationskanäle sind sehr dürftig, praktisch fast inexistent. Selbst das Rote Kreuz hat große Schwierigkeiten, seine Pakete auszuliefern und Auskünfte zu erhalten. Es ist bekannt, wie schwer der Umgang mit den Japanern ist.«
      »Er ist also vielleicht Kriegsgefangener, und keiner hat es für nötig gehalten, Bescheid zu geben. Wollen Sie das damit sagen?«
      »Das ist durchaus eine Möglichkeit. Ja. Es gibt bestimmt Hunderte, wenn nicht Tausende, die in der gleichen Lage sind.«
      »Aber Sie sagten, Sie seien Lehrer. Sie kennen sich doch mit den Japanern aus, oder?«
      Arthur Winchester lachte nervös. »Ich weiß ein wenig über ihre Geographie und Geschichte, aber die Japaner sind immer sehr eigenwillig gewesen. Wohl weil sie auf einer Insel leben.«
      »Aber wir leben auch auf einer Insel«, erinnerte ich ihn.
      »Ja, schon, aber ich meine >eigenwillig< eher in dem Sinn, dass sie sich vom Rest der Welt abschotten und den Kontakt mit dem Westen bewusst vermeiden. Bis zur Jahrhundertwende wussten wir praktisch nichts über sie, über ihre Gebräuche, ihren Glauben, und selbst heute wissen wir nicht viel.«
      »Was wissen wir denn? Was können Sie uns sagen?«, fragte Gloria.
      Er hielt wieder inne. »Tja«, sagte er. »Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber Sie haben mich gebeten, ehrlich zu sein. Ich würde sagen, Sie sollten hoffen, dass er tot ist. Das wäre am besten.« Er schwieg. »Sehen Sie, es ist Krieg. Alles ist anders. Sie müssen die Vergangenheit hinter sich lassen. Ihr Mann ist wahrscheinlich tot. Und wenn nicht, ändert sich auch nichts. Danach wird nichts mehr so sein wie vorher. In der ganzen Stadt leben die Menschen, als ob es kein Morgen gibt. Wie lange bleiben Sie in London?«
      Gloria beäugte ihn misstrauisch. »Bis heute Abend. Warum?«
      »Ich kenne da ein Haus. Sehr nett. Sehr diskret. Vielleicht könnte ich ...«
      Gloria sprang so schnell auf, dass sie mit den Oberschenkeln gegen den Tisch stieß und der Rest ihres Tees auf den Schoß von Arthur Winchester lief. Doch erhob er sich nicht, um ihn aufzuwischen. Stattdessen stürzte er mit den Worten zur Tür: »Du liebe Güte, so spät schon? Ich muss mich beeilen.«
      Und damit war er aus der Tür, bevor Gloria etwas ergreifen und hinter ihm herwerfen konnte. Böse blickte sie ihm nach, schob dann ihre Locken zurück und

Weitere Kostenlose Bücher