Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Erzählung hatte sie ihm unabsichtlich mitgeteilt, daß sie ein Motiv hatte, Emily loszuwerden. Wirklich unabsichtlich? Er bezweifelte nicht, dass Rosalind verschlagen sein konnte, wenn sie wollte, schließlich war sie Anwältin, aber er hatte keine Ahnung, warum sie sich selbst hätte belasten sollen. Aber: Wenn Rosalind Ruths Existenz vor ihrem Mann geheim halten wollte und Emily dabei ein uneinschätzbares Risiko war, hatte Rosalind ein Motiv gehabt, Emily aus dem Weg zu räumen.
Und sie hatte darüber hinaus ein noch viel besseres Motiv, Ruth Walker für immer aus dem Weg haben zu wollen.
Doch seit Riddles Selbstmord war das alles hinfällig geworden. Das Geld, der Status, die Berühmtheit, die Möglichkeit der politischen Karriere ihres Mannes - alles hatte sich in Luft aufgelöst. Rosalind blieb nichts mehr außer Benjamin und Ruth, und Banks bezweifelte, dass sie mit Ruth noch etwas zu tun haben wollte, nach allem, was passiert war. Es reichte, um die Worte des Predigers Salomon zu bestätigen, dass alles Eitelkeit ist.
Banks konnte einfach nicht glauben, dass Rosalind ihrer eigenen Tochter vergiftetes Kokain gegeben hatte oder jetzt das Ableben ihrer anderen Tochter plante. Aber er durfte gleichzeitig nicht vergessen, dass zwischen ihnen allen keine Liebe geherrscht, Rosalind damals ihr Kind Fremden überlassen hatte und sich für Wohlstand, Macht und all das Drum und Dran entschied, das sie so sehr zu brauchen schien. Und wenn man es recht bedachte, egal, was ihm sein Instinkt sagte, sind wir bei entsprechendem Anreiz alle dazu fähig, einen Mord zu begehen.
Wie er es auch betrachtete, Ruth Walkers plötzliches Hervortreten bei diesem Fall war eine Komplikation, auf die er gut hätte verzichten können. Während Annie Informationen über Ruths Vergangenheit in Salford ausgrub, versuchte Banks, so viel wie möglich über ihr jetziges Leben in Kennington herauszufinden. Er hatte bereits mehrere Anrufe getätigt, zwei Seiten mit Notizen voll geschrieben und wartete nun auf einen Anruf von Burgess.
Als das Telefon klingelte, dachte er, es sei der Rückruf von Ruths Chef, aber es war das andere Gespräch, auf das er gewartet hatte und das ihm grünes Licht für ein zweites Verhör von Barry Clough gab. Und gerade noch rechtzeitig; sie konnten ihn höchstens noch zwei Stunden festhalten.
Eigentlich eine ganz nette Gegend, dachte Annie und betrachtete die Häuser. So was hätte man in Salford gar nicht erwartet, obwohl sie ehrlich zugeben musste, dass sie noch nie in Salford gewesen war und keine Ahnung hatte, was zu erwarten war. Reihenhäuser standen zu beiden Seiten der stillen Straße, jedes mit einem ansehnlichen Rasenstück hinter einer Ligusterhecke. Die auf der Straße parkenden Autos waren nicht protzig, aber es waren auch keine verrosteten und klapprigen, zehn Jahre alten Fiestas. Die meisten waren importierte japanische und koreanische Modelle, und Annies Astra fiel nicht weiter auf. Verbrechensmäßig, schätzte sie, waren die größten Probleme wohl gelegentliche Einbrüche und Autodiebstähle.
Nummer 39 unterschied sich kaum von den anderen Häusern. Wie Whitmore gesagt hatte, sah man dem Haus nicht an, welche Tragödie sich hier abgespielt hatte. Annie versuchte sich die Flammen vorzustellen, den Rauch, die Schreie und die in Pantoffeln und Morgenröcken herumstehenden Nachbarn, die hilflos zusehen mussten, wie Ruth aus dem oberen Fenster sprang und ihre Eltern erstickten, nicht mal in der Lage, aus ihren Betten zu kriechen.
»Kann ich Ihnen helfen, meine Liebe?«
Annie drehte sich um und sah eine ältere Frau vor sich, die mit rheumatischen Fingern eine Einkaufstüte umklammerte.
»Sie sehen aus, als hätten Sie was verloren oder so.«
»Nein«, sagte Annie lächelnd, um der Frau klar zu machen, dass sie nicht verrückt war. »Nur in Gedanken verloren, vielleicht.«
»Kannten Sie die Walkers?«
»Nein.«
»Weil Sie sich nämlich ihr Haus anschauen.«
»Ja. Ich bin Polizistin«, stellte Annie sich vor.
»Tattersall. Gladys Tattersall«, sagte die Frau. »Freut mich, Sie kennen zu lernen. Sagen Sie bloß nicht, Sie stellen nach all dieser Zeit neue Ermittlungen wegen des Feuers an.«
»Nein. Glauben Sie, das sollen wir tun?«
»Kommen Sie doch herein. Ich stell den Kessel auf. Ich wohne in Nummer siebenunddreißig.«
Also im Haus neben dem der Walkers. »Es muss beängstigend für Sie gewesen sein«, sagte
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