Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Morgen nichts mehr gegessen hatte. Allerdings war er mit Newton noch nicht fertig, hatte noch nicht alles erfahren, was er wissen musste. »Kann man hier irgendwo einigermaßen vernünftig essen?«, fragte er.
»Auf der High Street gibt's zwei ganz gute Inder, wenn Sie so was mögen.«
»Gehen Sie mit? Auf meine Kosten.«
Craig sah ihn überrascht an. »Klar. Warum nicht? Ich muss nur noch die Negative zum Trocknen aufhängen. Bin gleich wieder da.« Er verließ das Zimmer. Banks blieb, wo er war, trank sein Lager aus und dachte wieder an Dunkelkammern, Onkel Ted und Sandra nackt unter dem Rotlicht. Abendessen. Morgen.
Sie gingen die schmale High Street entlang. Der Wind hatte nachgelassen, aber der Abend war kühl, und sie begegneten kaum jemandem. Banks war froh, die warme Lederjacke angezogen zu haben. An der Wand eines Hauses war eine Plakette angebracht, die sich auf Richard III. bezog. Also hatte Stony Stratford auch noch einen historischen Hintergrund.
»Angeblich soll er hier die Prinzen abgeholt haben«, sagte Craig. »Bevor sie in den Tower kamen. Sie wissen schon, die beiden, die er umgebracht hat.«
Craig wählte ein relativ billiges indisches Restaurant aus. Drinnen war es angenehm warm, und die exotischen Gerüche ließen Banks das Wasser im Mund zusammenlaufen, kaum dass er eingetreten war. Nachdem sie ihr Bier bestellt hatten und in Erwartung auf den Hauptgang an Poppadams knabberten, nahm Banks das Thema Louisa wieder auf. »Hat sie diesen Freund vorher schon mal erwähnt?«
»Nein. An einem Tag schien alles in Ordnung, am nächsten packte sie ihr Zeug - das wenige, was sie hatte - und war weg, bevor ich heimkam. Ich musste an dem Tag bei einer Hochzeit fotografieren. Meine ersten Hochzeitsfotos, und das war eine große Sache. Als ich nach Hause kam, fand ich nur eine Nachricht vor. Ich hab sie noch Wort für Wort im Kopf.« Er schloss die Augen. »>Tut mir Leid, Craig, es funktioniert einfach nicht mit uns beiden. Du bist ein lieber Kerl. Vielleicht sehen wir uns mal wieder. Gruß und Kuss, Louisa.< Das war alles.«
»Sie hatten keine Ahnung, was da lief? Dass sie jemand anderen kennen gelernt hatte?«
»Zu der Zeit nicht. Aber der Typ ist ja meistens der Letzte, der es erfährt, oder?«
»Hatten Sie sich gestritten?«
»Ja, aber das war bei Louisa nichts Ungewöhnliches.«
»Haben Sie sich viel gestritten?«
»Ziemlich viel.«
»Worüber?«
»Ach, das Übliche. Sie langweilte sich. Unserem Leben fehle es an Glanz und Aufregung, sagte sie. Sie wollte mehr ausgehen. Sie meinte, ich würde ihr nicht genug Aufmerksamkeit schenken, sie für selbstverständlich nehmen.«
»Stimmte das?«
»Vielleicht. Einiges davon. Ich hab sehr viel gearbeitet, bezahlte Aufträge wie die Hochzeit. Wahrscheinlich hab ich mehr Zeit in der Dunkelkammer verbracht als mit ihr. Und die Hälfte der Zeit wusste ich nicht, wo sie war. Ich meine, wir lebten erst seit einem Monat oder so zusammen. Wir waren schließlich nicht verheiratet oder so.«
»Sie ist viel allein ausgegangen?«
»Sie-sagte, sie würde mit ihren Freundinnen durch die Clubs ziehen. Manchmal kam sie erst morgens um zwei oder drei nach Hause. Sagte, sie wären in der Disco gewesen. Tja, man hält ein Mädchen wie Louisa nicht fest, indem man ihm die Flügel beschneidet, also konnte ich nicht viel dagegen tun. Aber es hat mich schon ein bisschen gewurmt.«
»Kannten Sie ihre Freundinnen?«
»Nur Ruth. Durch die habe ich Louisa kennen gelernt.«
»Ruth?«
»Ja. Ruth Walker.«
»Woher kannte sie Louisa?«
»Keine Ahnung. Aber Ruth nimmt immer Streunerinnen bei sich auf. Hat ein Herz aus Gold. Tut alles für einen. Louisa hat bei ihr gewohnt, als ich sie kennen lernte. Ich kannte Ruth aus dem College. Sie hatte da einen Computerkurs belegt und half mir mit digitaler Fotosoftware aus. Wir wurden Freunde. Ich besuche sie ab und an, wissen Sie, nehm sie mit in den Pub oder geh mit ihr ins Kino und zu Konzerten - sie hat's total mit Livemusik - und als ich mal wieder zu ihr kam, saß Louisa auf Ruths Sofa. Ich würde nicht sagen, dass es Liebe auf den ersten Blick war, aber irgendwas war da.«
Begierde, zweifellos, dachte Banks. »Hatten Sie was mit Ruth?«
»Ruth und ich ? Nee. Absolut nicht. Wir waren nur Freunde.«
Das Essen kam - Baltigarnelen für Craig und Lamm Korma für Banks, dazu Puliaoreis, Mangochutney und Naan - und
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