Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
sie unterbrachen ihr Gespräch, während sie sich die Speisen auftaten. Die unvermeidliche Sitarmusik zirpte im Hintergrund.
»Na gut«, sagte Banks nach ein paar Bissen, die seinen knurrenden Magen beruhigten. »Was passierte dann?«
»Ruth hatte Louisa einen Job bei der Firma besorgt, in der sie auch arbeitete, nicht weit von Canary Wharf. Nichts Tolles, nur so eine Art Botenjob. Louisa hatte keine große Arbeitserfahrung. Aber das brachte ein paar Kröten ein, half ihr, auf die Beine zu kommen.«
»Hat Louisa viel von ihrer Vergangenheit erzählt?«
»Nur Negatives. Klang, als hätten Sie ihr das Leben ganz schön schwer gemacht. Tut mir Leid, aber Sie haben danach gefragt.«
»Hab ich wohl.« Banks probierte das Lamm. Es war ein bisschen fett, aber es würde gehen. Er tunkte Soße mit seinem Naan auf.
»Aber sie hat's in dem Job auch nicht lange ausgehalten«, fuhr Craig fort. »Konnte sich nicht mit Büroarbeit anfreunden. Oder mit irgendwelcher Arbeit.«
»Wieso das?«
»Das liegt an ihrer Einstellung, glaube ich. Louisa denkt, andere wären nur dazu da, für sie zu arbeiten, nicht umgekehrt. Sie ist verdammt hochnäsig.«
»Wie hat sie sich danach über Wasser gehalten?«
»Sie hatte etwas Geld auf der Bank. Hat zwar nicht gesagt wie viel, aber sie schien nie knapp bei Kasse zu sein. Manchmal hat sie sich von Ruth oder mir was geliehen. Die konnte das Geld zum Fenster raushauen, sag ich Ihnen.«
»Und der neue Freund?«
Craig nickte. »Wenn der sich Gorillas leisten kann, wird er ja wohl im Geld schwimmen, oder? Ist ganz schön aufgestiegen, die kleine Louisa.«
Das stimmt, dachte Banks. Und wenn der Kerl Gorillas braucht, dann ist anzunehmen, dass er sein Geld auf zwielichtige Weise verdient, auf eine Weise, mit der er sich Feinde macht, die ihm was antun wollen, auf eine Weise, die Emily ebenfalls in Gefahr bringen könnte. Je mehr Banks zu hören bekam, desto mehr Sorgen machte er sich um das Mädchen. »Haben Sie wirklich keine Ahnung, wer er ist und wo ich die beiden finden kann?«
»Tut mir Leid. Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen. Glauben Sie mir.«
»Meinen Sie, Ruth Walker könnte es wissen?«
»Kann sein. Mir wollte sie nichts verraten, als ich sie gefragt habe, aber ich glaube, Louisa hat ihr gesagt, ich sei besessen von ihr, würde sie verfolgen oder so.«
»Haben Sie das getan?«
»Natürlich nicht.«
»Wie kommen Sie dann darauf?«
»Einfach wie Ruth mich angesehen hat. Zwischen Ruth und mir hat sich was verändert seit der Sache mit Louisa. Aber Ihnen erzählt sie es vielleicht.«
Banks zuckte die Schultern. »Könnte einen Versuch wert sein.«
Craig gab ihm die Adresse von Ruths Wohnung in Kennington. »Wissen Sie, ich mochte Louisa wirklich«, meinte er nachdenklich. »Vielleicht hab ich sie geliebt ... ich weiß nicht. Sie war ziemlich wild, und ihre Launen ... tja, ich kann nur sagen, im Vergleich zu ihr wirken manche dieser Divas abgeglichen. Aber ich mochte sie. Trotzdem, vielleicht bin ich ohne sie besser dran. Wenigstens kann ich mich jetzt auf meine Arbeit konzentrieren, und das muss ich wirklich. Der Himmel weiß, dass sie mich völlig durcheinander gebracht hat. Aber nachdem sie mich verlassen hatte, war da eine Weile lang ein großes Loch in meinem Leben. Ich weiß, das klingt kitschig, aber ich hatte keine Energie in mir, keinen echten Willen weiterzumachen. Die Welt war nicht mehr dieselbe. Nicht mehr so strahlend. Nicht mehr so interessant. Grau.«
Willkommen in der Realität, dachte Banks. Eigentlich wollte er hart zu Craig Newton sein - schließlich hatte Craig die Nacktfotos von Emily gemacht, die auf der GlamourPuss Website zur freien Verfügung für alle Perversen gelandet waren -, aber der Junge erwies sich als ziemlich sympathisch. Wenn man Craig glauben konnte, hatte er Emily tatsächlich für neunzehn gehalten - und wer hätte das nicht getan, nach allem, was Banks bisher gesehen und gehört hatte -, und die Webfotos waren nur ein dummer Witz. Außerdem hatte Craig Emily wohl wirklich gemocht, war wirklich nicht nur auf den Sex mit ihr aus oder was ein sechzehnjähriges Mädchen einem Siebenundzwanzigjährigen sonst zu bieten hatte, und das hob ihn in Banks' Achtung ein ganzes Stück.
Andererseits klang dieser neue Freund nach Ärger, und Emily Louise Riddle klang wie eine gottverdammte Zicke.
»Warum sind Sie hier rausgezogen?«, fragte
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