Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Jeans und ein T-Shirt von einer alten Oasis-Tournee. Ihr Haar, schwarz gefärbt, stachelig geschnitten und mit Gel eingeschmiert, passte überhaupt nicht zu ihrem runden Gesicht. Genauso wenig wie die vielen Ohrringe und Ohrstecker. Ihre Haut sah trocken wie Pergament aus, und sie litt immer noch unter Akne.
Die Wohnung war geräumig, hatte eine hohe Decke, und als Lampenschirme dienten Japanballons. Das Bücherregal bestand aus Brettern, über Ziegelsteine gelegt, und enthielt nur wenige zerfledderte Taschenbücher und ein paar Softwarehandbücher. Auf dem Schreibtisch unter dem Fenster stand ein Computer. Ein Schaffell lag auf dem Holzboden, und eine gebrauchte, dreiteilige Sitzgarnitur war mit Flickendecken und bunten Überwürfen bedeckt. Das Zimmer wirkte gemütlich. Ruth Walker, musste Banks zugeben, hatte es sich in ihrer Wohnung hübsch gemacht.
»Für gewöhnlich lasse ich keine Fremden rein«, sagte sie.
»Eine gute Einstellung.«
»Aber Sie haben Louisa erwähnt. Sie sind doch nicht einer ihrer neuen Freunde, oder?«
»Nein, bin ich nicht. Sie mögen sie nicht?«
»Die sind mir egal.« Ruth schniefte und griff nach einer Packung Embassy Regal, die auf dem Couchtisch lag. »Schlechte Angewohnheit. Hab ich mir auf der Uni angewöhnt. Möchten Sie eine Tasse Tee?«
»Bitte.« Das würde die Sache erleichtern, dachte Banks, die richtige Atmosphäre schaffen für die Art lockerer Unterhaltung, die er führen wollte. Ruth legte die Zigaretten weg, ohne sich eine anzuzünden, und ging in die Küche. Sie humpelte leicht. Nicht so sehr, dass es sie behinderte, aber doch merklich, wenn man genau hinsah. Banks sah sich die Buchtitel an: Maeve Binchy, Rosamunde Pilcher, Catherine Cookson. Ein paar CDs lagen verstreut neben der Stereoanlage, aber Banks hatte von den meisten Gruppen noch nie gehört, bis auf die Manie Street Preachers, Sheryl Crow, Beth Orton, Radiohead und P. J. Harvey. Doch Ruth hatte wahrscheinlich auch noch nichts von Arnold Baxter oder Gerald Finzi gehört.
Als Ruth mit dem Tee zurückkam und sich ihm gegenübersetzte, schien sie ihn immer noch mit ihren misstrauischen grauen Augen zu mustern. »Louisa«, sagte sie, als sie sich endlich die Zigarette angezündet hatte. »Was ist mit ihr?«
»Ich suche nach ihr. Wissen Sie, wo sie ist?«
»Warum?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Könnte sein. Sie könnten ihr etwas antun wollen.«
»Nein, keinesfalls.«
»Was wollen Sie dann von ihr?«
Banks zögerte. Warum nicht noch mal? Schließlich war er mit seiner Lüge schon so weit gekommen, und sie ging ihm inzwischen so leicht von den Lippen, dass er fast selbst daran glaubte, auch wenn er Emily Riddle noch nie getroffen hatte. »Ich bin ihr Vater«, sagte er. »Ich will nur mit ihr reden.«
Ruth starrte ihn einfach aus schmalen Augen an. »Das glaube ich nicht.« Sie schüttelte den Kopf.
»Was glauben Sie nicht?«
»Dass Sie Louisas Vater sind.«
»Warum nicht?«
»Zum einen würde er nie nach ihr suchen.«
»Ich liebe meine Tochter«, sagte Banks, was ja zumindest stimmte.
»Nein. Das meine ich nicht. Ich habe ein Foto gesehen. Ein Familienfoto, das sie bei ihren Sachen hatte. Es hat keinen Zweck zu lügen. Ich weiß, dass Sie es nicht sind.«
Wieder zögerte Banks. Er war verblüfft darüber, dass Emily ein Familienfoto mitgenommen hatte, aber auch über Ruths sofortige Aufdeckung seiner kleinen Täuschung. Zeit, die Richtung zu Wechseln. »Na gut«, sagte er, »ich bin nicht ihr Vater. Aber er hat mich gebeten, nach ihr zu suchen, sie nach Möglichkeit zu finden und zu fragen, ob sie mit ihm reden will.«
»Warum ist er nicht selbst gekommen?«
»Aus Furcht, dass sie sich, wenn sie davon erfährt, erst recht dünnmacht.«
»Das stimmt«, sagte Ruth. »Hören Sie, warum sollte ich Ihnen irgendwas sagen? Louisa ist aus freien Stücken von zu Hause weggegangen, wozu sie gesetzlich das Recht hat. Sie ist nach London gekommen, um ihr eigenes Leben zu führen, unabhängig von ihren Eltern. Warum soll ich ihr das verderben?«
»Ich werde sie nicht zu irgendwas zwingen, was sie nicht will«, sagte Banks. »Sie kann durchaus in London bleiben. Ihr Vater will nur wissen, was sie macht, wo sie wohnt und ob es ihr gut geht. Und wenn sie mit ihm reden will, prima, wenn nicht ...«
»Warum sollte ich Ihnen vertrauen? Sie haben mich bereits belogen.«
»Ist sie in
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