Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Eigentlich blieb ihm keine andere Wahl, als die Sprechanlage zu benutzen und einfach zu hoffen, dass man ihn reinließ. Diesmal konnte er sich natürlich nicht als Emilys Vater ausgeben, aber wenn er behauptete, er hätte eine wichtige Botschaft ihrer Familie für sie, könnte es klappen.
Bevor er auf den Summer drücken konnte, packte ihn eine starke Hand am Nacken und presste sein Gesicht gegen die Gitterstäbe; das kalte Eisen brannte an seinen Wangen. »Was zum Teufel machen Sie hier?«, fragte eine Stimme.
Im ersten Moment war Banks versucht, dem Mann fest gegen das Schienbein oder auf den Spann zu treten, sich aus seinem Griff zu befreien, herumzuwirbeln und ihm einen Kinnhaken zu versetzen. Aber er hielt sich zurück, durfte nicht vergessen, warum er hier war und wer er zu sein vorgab. Wenn er seinen Angreifer zusammenschlug, wohin würde ihn das bringen? Wahrscheinlich nirgendwohin. Andererseits bot sich ihm so vielleicht die beste Möglichkeit, ins Haus zu kommen.
»Ich suche Louisa«, sagte er.
Der Griff lockerte sich. Banks drehte sich um und sah einen Mann in einem eng sitzenden Anzug vor sich, der aussah wie einer von Mike Tysons Sparringpartnern. War wohl doch gut, dass ich mich nicht gewehrt habe, dachte Banks.
»Louisa? Was wollen Sie von Louisa?«, fragte der Mann.
»Ich will nur mit ihr reden«, erwiderte Banks. »Ihr Vater schickt mich.«
»Fick dich ins Knie«, meinte der Schläger.
»Ich wollte gerade klingeln«, fuhr Banks fort. »Ich hab nur nachgesehen, ob Licht brennt, ob jemand zu Hause ist.«
»Ach ja?«
»Ja.«
»Ich glaube, Sie kommen besser mit«, sagte der Gorilla, was genau das war, worauf Banks gehofft hatte. »Woll'n mal sehen, was Mr. Clough dazu zu sagen hat.«
Der Gorilla steckte eine Schlüsselkarte in den Mechanismus neben der Sprechanlage, tippte eine siebenstellige Zahl ein, die er sich zu Banks' Verwunderung offenbar merken konnte, und das Tor glitt auf gut geölten Scharnieren zurück. Inzwischen hatte er Banks am Ellbogen gepackt, aber nur fest genug, um ein paar kleine Knochen zu brechen, und führte ihn über einen kurzen Weg zur Eingangstür, die er mit einem einfachen Yale-Schlüssel öffnete. Manchmal sind Sicherheitsmaßnahmen, genau wie Schönheit, eben doch nur oberflächlich.
Sie traten in einen hell erleuchteten Flur, der bis zu einer schimmernden modernen Küche am anderen Ende des Hauses führte. Mehrere Türen gingen vom Flur ab, alle geschlossen, und gleich rechts führte eine mit dicken Läufern belegte Treppe in die oberen Stockwerke. Hier war es wesentlich schicker als in Ruths Wohnung, dachte Banks, und viel protziger, als es sich Craig Newton jemals hätte leisten können. Die fällt immer auf die Füße. Die Riddles hatten gesagt, sie hätten "Emily alle Vorteile geboten, die man mit Geld kaufen kann - eigenes Pferd, Klavierstunden, Urlaube, teure Schule -, und sie hatten mit Sicherheit ein sehr verwöhntes Gör herangezogen, so wie es hier aussah.
Gedämpfte Musik kam aus einem der Zimmer. Ein Popsong, den Banks nicht erkannte. Kaum hatte sich die Haustür hinter ihnen geschlossen, rief der Gorilla: »Boss?«
Eine Tür öffnete sich, und ein großer Mann kam heraus. Er war nicht fett oder übermäßig muskulös wie der Gorilla, sah aber aus, als stemmte er ein- oder zweimal pro Woche Gewichte im Fitnessstudio. Wie Craig Newton schon gesagt hatte, war das Gesicht des Mannes kantig, wie aus Stein gemeißelt, und er sah gut aus, wenn man diesen Typ mochte, der ein bisschen wie ein jüngerer Nick Nolte wirkte.
Er trug einen cremefarbenen Armanianzug über einem roten T-Shirt, war tief gebräunt und hatte einen langen grauen Pferdeschwanz. Eine dicke Goldkette hing um seinen Hals, passend zu der an seinem Handgelenk, und an seiner haarigen rechten Hand prangte ein klobiger Siegelring. Banks hielt ihn für Anfang bis Mitte vierzig, also nicht viel jünger als Jimmy Riddle. Oder Banks selbst, was das betraf
Das harte Glitzern in seinen Augen und das selbstsichere Auftreten machten deutlich, dass er jemand war, vor dem man sich in Acht nehmen musste. Banks hatte diesen Blick schon in den Augen hart gesottener Verbrecher gesehen, Leute, die meinen, die Welt gehöre ihnen, und Hindernisse einfach beiseite fegen wie Schuppen vom Kragen.
»Wen haben wir denn da?«, fragte er und musterte Banks.
»Hab ihn am Tor herumlungern sehen, Boss. Stand einfach da. Sagt, er wolle zu
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