Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
erhaschte einen ersten Blick auf Klein-Sinead. Fast hätte er vor Erleichterung aufgeseufzt, als er feststellte, dass sie wie alle einen Monat alten Babys aussah: Winston Churchill im Miniaturformat. Sandra bemerkte seinen Blick, und er stellte fest, dass sie rot wurde, als sie den Wagen über die Straße schob.
»Was ist?«, fragte sie.
»Wieso?«
»Du wolltest doch mit mir reden.«
»Ja, ja. Eigentlich nichts Wichtiges. Bloß der Fall, an dem ich gerade sitze. Kannst du dich an einen Maler namens Thomas McMahon erinnern?«
»An Tom? Ja, sicher. Warum?«
»Er ist tot.«
»Tot?«
»Ja, er kam bei einem Brand ums Leben. Er wohnte illegal auf einem Boot unten am Kanal.«
»Ich nehme an, er wurde ermordet, nicht wahr? Sonst wärst du nicht hier.«
»Sieht ganz danach aus«, bestätigte Banks.
»Armer Tom. Er war harmlos. Konnte keiner Fliege was zuleide tun.«
»Nun, ihm hat man aber was zuleide getan.«
»Es hat gebrannt, sagst du?«
»Ja. Es war Brandstiftung. Er war ohnmächtig. Er hat nichts ... du weißt schon.«
Sandra nickte. Ihre kleine blasse Nase hatte eine leicht gerötete Spitze, als ob sie erkältet war. »Ich habe ihn seit mindestens fünf Jahren nicht mehr gesehen«, erklärte Sandra. »Ich wüsste nicht, wie ich dir helfen könnte.«
»Ich auch nicht«, sagte Banks und schob die Hände in die Manteltaschen. »Tut mir Leid. Ich hätte nicht vorbeikommen sollen.«
Sie gelangten an eine Bank. Sandra setzte sich, zog den Kinderwagen heran und stellte die Bremse mit dem Fuß fest. Banks nahm neben ihr Platz. Er sehnte sich nach einer Zigarette. Es war nicht das schneidende, heftige, überwältigende Verlangen, das er sonst fühlte, sondern ein tiefes, nagendes Bedürfnis. Er versuchte, es zu ignorieren.
»Du riechst nach Bier«, stellte Sandra fest.
»Ich bin nicht betrunken.«
»Hab ich auch nicht behauptet.«
Banks überlegte. Schon wahr, er hatte zwei Glas mit Burgess getrunken. Aber mehr auch nicht. Auf keinen Fall würde er Dirty Dick gegenüber Sandra erwähnen. Er war ein rotes Tuch für sie. »Maria Phillips hat nach dir gefragt«, sagte er.
Sandra warf ihm einen belustigten Blick zu. »Kurz bevor sie dir ihre Hand in die Hose gesteckt hat?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Maria war schon immer sehr direkt.«
»Sie ist wirklich lieb.«
Sandra verdrehte die Augen. »Wem's gefällt.«
»So habe ich das nicht gemeint«, beeilte sich Banks zu sagen. »Ich glaube nur, dass sie im Grunde genommen sehr unsicher ist.«
»Oh, bitte!«
»Sie meinte, du hättest viel mit Tom zu tun gehabt.«
»Und du glaubst, das ist eine Andeutung gewesen, ich hätte ein Verhältnis mit ihm gehabt?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Das hört sich aber so an. Nur zu deiner Information - nicht dass das jetzt noch was ausmacht -, aber ich hatte kein Verhältnis mit irgendjemandem, solange wir verheiratet waren. Mit keinem Einzigen.«
Sinead bewegte sich und gab ein gurgelndes Geräusch von sich. Sandra beugte sich vor und zupfte erneut an der Decke. Dann strich sie dem Baby über die Wange, lächelte und murmelte beruhigende Worte. Banks kannte diese Geste. Das hatte Sandra auch bei Brian und Tracy gemacht, als die beiden noch ganz klein waren. Es traf ihn bis ins Mark. Er hatte das alles völlig vergessen, und plötzlich war sie da, eine schlichte mütterliche Geste, die die Kraft hatte, ihn tief zu verletzen. Was ist mit mir los?, fragte er sich und bekam kaum noch Luft. Dieser Säugling hatte nichts mit ihm zu tun. Wenn überhaupt, war er eine Beleidigung für die Beziehung, die er meinte, zu Sandra gehabt zu haben. Das Baby war ja nicht mal besonders hübsch. Aber warum fühlte er sich dann so ausgeschlossen, so einsam? Warum interessierte ihn das eigentlich?
»Also, was kannst du mir über McMahon erzählen?«, fragte er.
»Tom hatte eine lebhafte Fantasie, schnelle Hände und wenig Selbstbewusstsein.«
»Wieso wenig Selbstbewusstsein?«
»Keine Ahnung. Manche sind einfach so, oder?« Sanft schaukelte Sandra den Kinderwagen. »Obwohl er gewissen Erfolg hatte, hier und da mal ausstellte und zwischendurch was verkaufte - nicht den Touristenkram, meine ich -, glaubte er nicht an sich. Er hat mir mal gesagt, er würde sich mehr wie er selbst fühlen, wenn er andere Maler nachmachte, als bei seiner eigenen Arbeit.«
»Ach, wen machte er denn
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