Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
an.«
Das Vernehmungszimmer sah aus wie alle, in denen Banks im Laufe seines Lebens gesessen hatte: schmale, hohe Fenster, davor Gitter, eine nackte Glühbirne, ebenfalls vergittert, ein im Boden verankerter Stahltisch. Die behördengrünen Wände sahen allerdings frisch gestrichen aus. Banks bildete sich ein, die Farbdämpfe in der abgestandenen Luft noch riechen zu können. Zusammen mit dem Scotch, den er bei Ken Blackstone am vergangenen Abend getrunken hatte, bereiteten sie ihm Kopfschmerzen. Er massierte sich die Schläfen.
Frances Aspern saß gegenüber von Banks und Inspector Gary Bridges, der nicht nur denselben Anzug trug wie in der vergangenen Nacht, sondern zudem aussah, als hätte er darin geschlafen. Frances Aspern in dem dunkelblauen Arrest-Overall wirkte teilnahmslos und erschöpft und viel älter, als Banks sie in Erinnerung hatte. Die dunklen Ringe unter ihren Augen verrieten, dass sie nicht geschlafen hatte. Sie nestelte an einem Ring herum, aber es war nicht ihr Ehering, wie Banks bemerkte. Den trug sie nicht mehr.
»Sind Sie bereit, mit uns zu sprechen?«, fragte Bridges, nachdem er die Rechtsbelehrung erteilt und das Aufnahmegerät eingeschaltet hatte.
Frances nickte mit abwesendem Blick.
»Könnten Sie bitte für alle vernehmlich antworten?«, forderte Bridges sie auf.
»Ja«, sagte sie mit leiser Stimme. »Entschuldigung.«
»Was ist gestern Nacht geschehen?«
Frances schwieg so lange, dass Banks schon vermutete, sie habe Bridges' Frage gar nicht gehört. Dann begann sie zu erzählen. »Wir lagen im Bett. Patrick hörte irgendwas. Er holte sein Gewehr aus dem Schrank und ging nach unten.« Sie sprach monoton, emotionslos, als interessiere sie sich nicht für das, was sie sagte.
»Was geschah dann?«
»Ich blieb im Bett und wartete. Lange. Ich weiß nicht, wie lange genau. Dann bin ich nach unten gegangen. Er wollte dem Jungen etwas antun. Da hab ich das Gewehr genommen und auf ihn geschossen. Dann habe ich den Jungen befreit und ihm gesagt, er soll gehen.«
»Und der Brand?«, hakte Inspector Bridges nach.
»Feuer reinigt«, erklärte sie. »Ich wollte das Haus reinigen.«
»Womit haben Sie es ausgelöst?«
»Mit Isopropanol. Stand auf dem Tisch.«
»Was passierte dann?«
»Der Junge kam zurück und löschte die Flammen. Ich sagte ihm, er solle das lassen, aber er hörte nicht auf mich. Dann sollte ich mich hinsetzen, und er rief die Polizei an. Ich war so unglaublich müde, dass mir alles egal war, aber ich konnte nicht schlafen.«
»Ich versuche, das alles zu verstehen, Mrs. Aspern«, sagte Bridges. »Warum haben Sie Ihren Ehemann getötet?«
Frances sah Banks an, nicht Bridges, und in ihren Augen standen Tränen. »Weil er dem Jungen etwas antun wollte.«
»Er wollte Mark etwas antun?«, fragte Bridges.
»Ja«, bestätigte sie, noch immer an Banks gewandt. »Patrick ist ein grausamer Mensch. Das müssen Sie wissen. Er wollte dem Jungen wehtun. Er hatte ihn an den Stuhl gefesselt.«
»Aber warum wollte er Mark wehtun?«, hakte Bridges nach.
Langsam drehte sich Frances zu ihm um, noch immer am Ring nestelnd. »Wegen Christine. Der Junge hat ihm Christine weggenommen. Patrick konnte nicht verlieren.«
Banks lief ein kalter Schauer über den Rücken. Verwirrt fragte Bridges: »Chief Inspector Banks, Ihnen ist der Hintergrund dieses Falls bekannt. Haben Sie vielleicht Fragen an Mrs. Aspern?«
Banks wandte sich an Frances. »Sie sagen, Ihr Mann wollte Mark wehtun, weil Mark mit Christine auf dem Boot lebte, stimmt das?«
»Ja.«
»War Patrick am vergangenen Donnerstagabend beim Boot? Hat er das Feuer gelegt?«
Überrascht schaute Frances auf. »Nein«, erwiderte sie. »Nein, wir waren zu Hause. Das war nicht gelogen.«
»Aber Ihr Mann hat Christine sexuell missbraucht, ja?«
Tränen liefen Frances über die Wangen, aber sie schluchzte nicht. »Ja«, sagte sie.
»Seit wann?«
»Seit ihrem zwölften Lebensjahr. Als sie ... nun ja, als sie sich zu entwickeln begann. Er musste sie ständig anfassen.«
»Warum hat Christine das zugelassen? Sie muss doch gewusst haben, was das war, dass es nicht richtig war, oder? Sie hätte ihn anzeigen können.«
Mit den Ärmeln des Overalls wischte Frances sich die Tränen aus den Augen und von den Wangen. Verächtlich schaute sie Banks an. »Er war der einzige Vater, den sie je gehabt hat. Er war immer
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