Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
hatte er Annie so viele Informationen vorenthalten, dass ihr praktisch die Hände gebunden gewesen waren. Es war sogar so weit gegangen, dass sie ihn einer sexuellen Beziehung zur Mutter des Mädchens verdächtigt hatte, wenn nicht sogar zu dem Mädchen selbst. So was konnte passieren, wenn man Informationen zurückhielt: Die anderen schufen sich ihre eigene Wahrheit. Mangels Tatsachen erfanden sie Geschichten wie in den Klatschblättern.
Doch jetzt, da Annie es ausgesprochen hatte, schämte sie sich. Während sie einen Bissen Omelette aß, warf sie Banks einen heimlichen Blick zu. Ziemlich gelassen vertilgte er sein Frühstück. Die Kellnerin brachte Kaffee und Tee. Annie dankte ihr.
»Wenn uns einer hört!«, meinte Banks. »Wir zanken uns beim Frühstück wie ein altes Ehepaar.«
»Wir zanken nicht«, entgegnete Annie. »Dafür braucht man zwei. Willst du dich nicht wehren?«
»Was soll ich sagen? Ich bin froh, dass du es dir von der Seele geredet hast.«
»Ach, so einfach ist das?«
Banks sah sie mit klaren, leuchtenden Augen an. »Ist ein Anfang. Wenn wir weiter zusammenarbeiten wollen, müssen wir ein paar Sachen klären.«
»Zu wessen Bedingungen?«
»Darum geht es nicht. Ich werde meine Arbeitsweise nicht ändern. Du genauso wenig.«
»Dann sollten wir vielleicht besser nicht mehr zusammenarbeiten.«
»Wie du willst.«
»Nein, nicht nur ich. Was willst du?«
»Ich möchte weiter mit dir arbeiten. Ob du's glaubst oder nicht, ich mag dich, und ich finde, dass du supergut in deinem Job bist.«
Das Kompliment freute Annie über alle Maßen, dennoch hoffte sie, dass man es ihr nicht ansah. »Trotzdem willst du mich weiterhin die halbe Zeit im Dunkeln tappen lassen?«
»Das mache ich doch nicht mit Absicht! Wenn ich dir sofort all meine Vermutungen über Phil Keane erzählt hätte - und ich habe weiß Gott versucht, Andeutungen zu machen -, hättest du mich rausgeschmissen und mir vorgeworfen, nur eifersüchtig zu sein - hast du ja getan und nie wieder ein Wort mit mir gesprochen. Zuerst hatte ich nur so ein Gefühl, eine Ahnung, dass bei ihm nicht alles so war, wie er vorgab.«
»Aber dann hätte ich vielleicht nicht in ein brennendes Haus rennen und dich rausziehen müssen.«
»Ach, darum geht's also?«
»Nein, es geht nicht mal darum, wenn ich's recht bedenke.« Annie überlegte. »Wenn du es wirklich wissen willst: Es geht um die Art und Weise, wie du mich danach behandelt hast.«
»Was meinst du damit?«
»Nichts.« Aber Annie war schon zu weit gegangen. Sie legte Messer und Gabel hin.
»Komm, Annie!«, sagte Banks. »Lass uns reinen Tisch machen! Vielleicht finden wir ja eine Möglichkeit, uns auszusprechen.«
»Das hört sich schon besser an.« Es war viel schwieriger, als Annie erwartet hatte, besonders in dieser Umgebung - das künstliche Hotelrestaurant mit den Topfpflanzen und Bäumchen, den Kellnerinnen mit Tablett, den Geschäftsleuten in Nadelstreifenanzügen, die den Tag verplanten, einige schon mit Handy am Ohr oder Palm in der Hand. »Ich hatte einfach das Gefühl, dass du mich abweist«, sagte sie, »dass du mich zur Seite drängst, als ob meine Gefühle egal wären. Mir ging es schlecht genug, weil ich diesen Fehler mit Phil gemacht hatte. Ich meine, kannst du dir vorstellen, mit einem Serienmörder ins Bett zu gehen?« Sie schüttelte den Kopf. »Und dann du. Ich hatte gehofft... weiß nicht... etwas Trost... vielleicht Beistand. Gestern Abend warst du bei Corinne, ja? Aber für mich warst du nicht da. Ich weiß, dass wir diese Geschichte haben und dass es nicht immer einfach ist, aber du hättest für mich da sein sollen und warst es nicht. Es ging mir genauso schlecht wie dir, wenn nicht sogar schlechter.«
Da, nun war es heraus. Sie hatte mehr als genug gesagt. O Gott, warum schwieg er bloß so lange? Sag etwas, sag irgendwas!
Schließlich sprach Banks. »Du hast recht«, gab er zu. »Und es tut mir leid, wenn man das sagen kann.«
»Warum warst du so? Warum hast du mich im Stich gelassen? Lag's an der Frau?«
»Welcher Frau?«
»Michelle, oder wie sie hieß.«
Banks war überrascht. »Nein, das lag nicht an Michelle. Sie hatte mit all dem nichts zu tun. Aber wenn ich bei ihr war, musste ich nicht darüber nachdenken. Sie hat mich abgelenkt, mich weggeholt. Darüber nachzudenken, das hat mich fertig gemacht. Von dem Moment an, als ich Phil die Tür aufmachte,
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