Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre

Titel: Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
Arme vor der Brust verschränkt.
     
    Mit einer halben Stunde Verspätung kämpfte Annie sich durch die belebten Straßen von Covent Garden zu dem Restaurant auf der Tavistock Street, von dem Dr. Lukas gesprochen hatte. Den Zug um 16:25 Uhr hatte sie verpasst; der um 17:05 Uhr war kein Schnellzug, deshalb hatte sie den 17:25 genommen, der pünktlich um 20:13 in London eintraf. Vom Zug aus rief sie Dr. Lukas in der Praxis an, doch man sagte ihr, die Ärztin sei nicht im Hause. Annie hinterließ eine Nachricht, war aber nicht sicher, dass Dr. Lukas sie auch erhielt. Deshalb machte sie das Restaurant ausfindig und hinterließ dort eine zweite Mitteilung. Außerdem rief sie ihr Stammhotel an und buchte ein Zimmer für die Nacht. Die Frau an der Rezeption erkannte ihren Namen und ihre Stimme und wurde so gesprächig, dass es fast schon peinlich war.
      Nun, Dr. Lukas hatte gesagt, sie würde warten, dachte Annie, als sie in das gut besuchte Restaurant stürzte. Es gab schlechtere Orte zum Warten. Annie entdeckte die Ärztin an einem Ecktisch und eilte auf sie zu. Es war ein kleines Restaurant mit intimer Beleuchtung und weißen Leinendecken auf den Tischen. Auf einer Tafel an der Wand standen Spezialitäten und Weinempfehlungen. Im Hintergrund lief Musik, aber sie war so leise, dass Annie sie nicht erkennen konnte. Irgendetwas Französisches.
      »Haben Sie meine Nachricht bekommen?«, fragte sie und setzte sich. Sie war völlig außer Atem.
      Dr. Lukas nickte. »Schon in Ordnung«, sagte sie und pochte auf das Taschenbuch vor sich. »Ich habe mein Buch. Ich habe damit gerechnet, warten zu müssen. Man kennt mich hier. Die Leute sind sehr verständnisvoll.«
      Annie überflog die Speisekarte, sehr traditionelle Gerichte, und entschied sich für Ratatouille. Dr. Lukas hatte bereits eine Bouillabaisse gewählt. Nachdem sie bestellt hatten, schenkte die Ärztin Annie ein Glas Chablis ein und füllte ihr eigenes auf.
      »Es tut mir leid, dass Sie wegen mir extra herkommen mussten«, sagte sie, »aber ich konnte Ihnen das auf keinen Fall am Telefon erzählen.«
      »Schon gut«, meinte Annie. »Ich musste eh wieder zurück. Machen Sie jetzt reinen Tisch?«
      »Ich sage alles, was ich weiß.«
      »Warum erst jetzt?«
      »Weil sich die Situation geändert hat. Es ist zu weit gegangen.«
      Der Kellner brachte einen Korb Brot. Annie brach ein Stück ab und strich Butter darauf. Im Zug hatte sie nicht gegessen; sie hatte einen Riesenhunger. »Ich höre.«
      »Es fällt mir sehr schwer«, begann Dr. Lukas, »und ich bin nicht besonders stolz darauf.«
      »Dass Sie den Mädchen helfen.«
      »Nein, nicht deswegen. Wenn ich es nicht getan hätte, wer dann?«
      »Geht es um Carmen Petri?«
      »Nur teilweise. Um zu verstehen, was ich Ihnen erzählen will, müssen Sie wissen, woher ich komme. Iwiw ist eine sehr alte Stadt, in vielerlei Hinsicht eine sehr schöne Stadt mit vielen schönen alten Gebäuden und Kirchen. Meine Mutter war Schneiderin, bis sie ihre Finger durch die Arthritis nicht mehr bewegen konnte. Mein Vater war Bergbauingenieur. Meine Eltern wissen noch, wie die Juden im Krieg von den Deutschen zusammengetrieben und erschossen wurden. Man hat von dem Massaker von Babi Jar bei Kiew gehört, aber es gab überall Gemetzel, auch in Iwiw. Meine Eltern hatten Glück. Sie waren damals noch Kinder, versteckten sich und wurden nicht gefunden. Als ich in der Ukraine lebte, gehörte sie noch zur Sowjetunion. Ich wuchs in einem modernen Teil der Stadt auf, in hässlichen Häuserblöcken aus der Stalinzeit. Wir waren arm und schlecht ernährt, aber es gab ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Manchmal glaubte man trotz der Realität sogar an die Ideale. Als die Ukraine im August 1991 unabhängig wurde, herrschte eine Zeit lang Chaos. Niemand wusste, was passieren würde. Da entschloss ich mich zu gehen.«
      Annie hörte zu, interessiert an Dr. Lukas' Geschichte, aber auch neugierig, wohin sie führte. Es dauerte nicht lange, da wurde das Essen serviert. Dr. Lukas schenkte Wein nach. Als könne sie Annies Gedanken lesen, sagte sie lächelnd: »Sie fragen sich vielleicht, was das alles soll, aber haben Sie bitte ein wenig Geduld!« Dann erzählte sie von ihrer Kindheit, der staatlichen Schule, den unhygienischen Lebensbedingungen und ihrem Wunsch, Ärztin zu werden. »Und hier bin ich nun«, schloss sie. »Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen.«
      »Sie müssen sehr stolz

Weitere Kostenlose Bücher