Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
Irland und Osteuropa überschwemmt zu werden.
Gristhorpe blieb noch ein wenig Zeit. Er nahm seinen Becher mit starkem Tee nach draußen in den Garten und stellte ihn auf einem Stuhl ab. Dann musterte er verschiedene Steine und überlegte, welcher am besten in seine Mauer passen würde. Die Mauer führte ins Nichts und schloss nichts ein, aber für Gristhorpe war sie fast so unersetzlich geworden wie die Luft zum Atmen. Sie würde niemals fertig werden - wie sollte man auch etwas beenden, das ins Nichts führte? aber wenn doch, würde er sie anschließend zerstören und wieder von vorn anfangen. Trockenmauern bauen war eine fast vergessene Kunst in den York-shire Dales, und auch wenn Gristhorpe sich nicht anmaßte, ein Experte zu sein und die Arbeit professionell zu machen, so war es doch eine Hommage an die Landschaft und für ihn eine Therapie.
Während Gristhorpe seine Möglichkeiten abwog, genoss er die Sonne auf seinem Gesicht und die leichte Brise, die ihm sanft wie eine Frauenhand durch die unordentlichen Haare strich. Er dachte an seine Frau Mary und ihre federleichten Berührungen und stellte fest, dass es schon über zwölf Jahre her war, dass der Krebs sie hinweggerafft hatte. Sie fehlte ihm noch immer so sehr, als sei sie ein Teil von ihm, und es verging kein Tag, an dem er nicht an sie dachte, sich an ihr Gesicht erinnerte, an einen Ausdruck, an ihre sanfte Stimme, ihren Humor, an eine bestimmte Geste.
In der Luft lag das Aroma wilden Knoblauchs, und leicht roch man den Teer des erhitzten Straßenbelags. Gristhorpe trank einen Schluck Tee und entschied sich für einen bestimmten Stein. Er passte perfekt. Dann kehrte er in Gedanken zum anstehenden Thema zurück: Banks.
Im Laufe der Jahre war Banks für Gristhorpe mehr geworden als ein Kollege. Er erinnerte sich noch an seinen ersten Eindruck von ihm: ein zappeliger, kettenrauchender Beamter kurz vor dem Burn-out. Damals war Gristhorpe unsicher, ob es nicht ein Fehler gewesen war, der Versetzung zuzustimmen. Aber Banks hatte ein gewisses inneres Gleichgewicht gefunden, und dazu hatte auch die Landschaft von Yorkshire beigetragen, die er zu seiner neuen Heimat gemacht hatte.
Gristhorpe wusste, dass er eine Art Mentor für Banks gewesen war, nicht so sehr in Bezug auf die Arbeit, sondern in menschlicher Hinsicht. Banks war eine vielschichtige Persönlichkeit; Gristhorpe war nicht sicher, ob er jemals den ersehnten Frieden und die erstrebte Harmonie finden würde. Nach der Scheidung von Sandra, unter der Banks noch immer sehr litt, und der unruhigen Beziehung zu Annie Cabbot schien er eine gewisse Zufriedenheit in seinem abgelegenen Cottage gefunden zu haben. Doch dann hatte seine Ruhe ein abruptes, gewaltsames Ende genommen. Was würde als Nächstes kommen? Gristhorpe wusste es nicht, und er nahm an, Banks ging es genauso.
Gristhorpe trank seinen Tee und suchte den nächsten Stein. Er wollte so schnell wie möglich wissen, in welcher Beziehung Banks zu der toten Frau stand. Zuerst mussten sie versuchen, Banks mit Hilfe seiner Familie aufzutreiben. Wenn das nicht klappte, würde der nächste Schritt offiziell sein. Das konnte Banks' Karriere schaden. Möglicherweise würde man sich an die Presse wenden müssen. Sie würden sein Foto in die Zeitung setzen und jeden, der ihn gesehen zu haben glaubte, bitten, sich bei der Polizei zu melden. Dann würde jeder Bulle im Land nach ihm Ausschau halten. Gristhorpe interessierte nicht nur, warum die Tote Banks' Adresse in der Gesäßtasche gehabt hatte - auch wenn es die falsche war -, sondern ihn beunruhigte auch, dass in Banks' leeres Cottage eingebrochen worden war. Die Handwerker schworen Stein und Bein, nach Feierabend abgeschlossen und keine teuren Maschinen im Haus gelassen zu haben.
Gristhorpe trank seinen Tee aus und legte den Stein an eine bestimmte Stelle. Zu groß. Er warf ihn zurück auf den Haufen und ging ins Haus. Es war Zeit, zur Arbeit zu fahren.
Vor seinem Treffen mit Burgess hatte Banks noch ein paar Stunden Zeit totzuschlagen. Zuerst rief er Julian Harwood an und war überrascht, als der sich vorbehaltlos mit ihm um zwei Uhr bei Starbucks auf der Old Brompton Road verabredete. Harwood vermittelte den Eindruck, als täte er Banks einen großen Gefallen, ihm seine Zeit zu schenken. Ausschlaggebend war wohl, dass Banks Roys Bruder war.
Danach erstellte Banks anhand der Daten von Roys Handy eine Liste aller Namen und Nummern, nur für alle Fälle. Seiner
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