Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
Annie, Templetons anzügliche Bemerkungen hatten Soames also zum Rasen gebracht. Als bräuchte sie noch weitere Beweise für die Schuldigkeit ihres Kollegen. Trotzdem verfluchte sie ihn erneut in Gedanken. »Was ist mit dem Alkohol?«
Soames kratzte sich am Kopf. »Ich will nicht behaupten, dass ich stolz darauf bin«, sagte er. »Ich habe früher richtig gesoffen, habe es aber in den Griff bekommen, gönne mir jetzt nur ab und zu ein paar Glas, der Geselligkeit zuliebe. Ich habe mich ...« Er hielt inne und schlug die Hände vors Gesicht. Annie konnte nicht genau verstehen, was er als Nächstes sagte, aber es hörte sich an wie: »... ihre Mutter.«
»Mr. Soames«, sagte sie freundlich. »Calvin, würden Sie bitte laut und deutlich sprechen?«
Soames wischte sich mit den Handrücken über die Augen. »Ich habe gesagt, sie ist genau wie ihre Mutter.«
»Und wie war ihre Mutter?«
»Eine nichtsnutzige Schlampe.«
»Kelly hat gesagt, sie hätte den Eindruck gehabt, als würden Sie mit ihr wie mit ihrer Mutter reden. Stimmt das?«
»Keine Ahnung. Ich habe einfach rotgesehen. Ich weiß nicht, was ich gesagt habe. Kellys Mutter war jünger als ich. Sah gut aus. Der Hof ... so stellte sie sich das Leben nicht vor. Sie war lieber in der Stadt, mochte Feste, wollte tanzen gehen. Es gab Männer. Mehr als einen. Ihr war egal, wenn ich es mitbekam. Sie machte sich über mich lustig, lachte über mich.«
»Und dann starb sie.«
»Ja.«
»Das muss Sie völlig fertig gemacht haben«, sagte Annie. Soames warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
»Ich meine, Ihre Frau hatte Ihnen so weh getan, und dann lag sie da und starb. Wegen der Unfähigkeit der Ärzte. Sie müssen Mitleid mit ihr gehabt haben, obwohl sie Ihnen so viel angetan hatte.«
»Das war Gottes Wille.«
»Wie hat Kelly damals darauf reagiert?«
»Ich habe versucht, es von ihr fernzuhalten«, sagte Soames. »Aber jetzt ist sie genauso geworden.«
»Das stimmt nicht«, sagte Annie. Ihr war bewusst, dass das Band mitlief und sie ihre Kompetenzen als Vernehmungsbeamtin überschritt, aber sie konnte nicht anders. Sollte Superintendent Gervaise ihr doch noch einen Anschiss verpassen. »Nur weil Kelly mit jemandem geschlafen hat, heißt das noch lange nicht, dass man sie als Schlampe oder sonst wie betiteln kann, wie Männer das mit Frauen gerne tun. Sie sollten mit Ihrer Tochter sprechen, anstatt mit dem Stuhlbein nach ihr zu schlagen.«
»Ich bin nicht stolz darauf«, sagte Soames. »Ich werde die Konsequenzen tragen.«
»Das werden Sie allerdings«, sagte Annie. »Und Kelly leider auch.«
»Was meinen Sie damit?«
»Damit meine ich, dass sie Ihretwegen im Krankenhaus liegt, und wissen Sie was? Sie macht sich Sorgen um ihren Vater. Sie will wissen, wie es mit Ihnen weitergeht.«
»Ich habe gesündigt. Ich werde meine Strafe annehmen.«
»Und was ist mit Kelly?«
»Sie ist ohne mich besser dran.«
»Ach, hören Sie doch auf, sich selbst zu bemitleiden!« Annie bezweifelte, dass sie die Befragung fortsetzen konnte, schob deshalb Soames ein Formular hin und stand auf. »Hören Sie, schreiben Sie in eigenen Worten auf, was genau geschehen ist, so wie Sie sich daran erinnern. Constable Jackman wird dafür sorgen, dass es abgetippt wird, damit Sie es unterschreiben können. In der Zwischenzeit kommt ein Amtsarzt vorbei, um Sie zu untersuchen, nur zur Sicherheit. Möchten Sie noch etwas sagen?«
»Kelly, wie geht es ihr?«
»Besser«, sagte Annie mit der Hand auf dem Türknauf. »Aber nett, dass Sie fragen.«
** 18
Als Banks am Samstagmorgen die Unterlagen auf seinem Schreibtisch durchsah, entdeckte er die Kopie, die er von den Zahlenreihen hinten in Nick Barbers Buch gemacht hatte. Dabei fiel ihm ein, dass er noch nichts von Constable Gavin Rickerd gehört hatte. Er griff zum Telefon, und Rickerd meldete sich nach dem dritten Klingeln.
»Haben Sie schon was gefunden wegen der Zahlen, die ich Ihnen gegeben habe?«, fragte Banks.
»Tut mir leid, Sir«, erwiderte Rickerd. »Die haben uns völlig zugeworfen mit Arbeit. Ich hatte nicht viel Zeit, mich darum zu kümmern.«
»Irgendwelche Ideen?«
»Es könnte ein Code sein, aber ohne den Schlüssel ist der sehr schwer zu knacken.«
»Ich glaube nicht, dass wir einen Schlüssel haben«, sagte Banks.
»Nun, dann ...«
»Hören Sie, versuchen Sie' s weiter, ja? Wenn ich
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